Samstag, 6. Dezember 2008

susam sokağında iki maymun

sollte man Nuri Bilge Ceylan als Regisseur für neue Folgen der Sesamstraße gewinnen, würde er Ernie und Bert, die auf Türkisch Edi ile Büdü heißen, in ihrem seltsam asexuellen Ehebett platzieren, Edi kann mal wieder nicht einschlafen. Wir sehen ihn minutenlang unter seiner Bettdecke wühlen. Ein Close-Up auf Büdü, dessen Lidschatten verlaufen, aber auch im dunklen Zimmer noch unheimlich schwarz wäre, würde seine angespannten Gesichtszüge und blinzelnden Augen offenbaren. Auch er ist in Wirklichkeit weit davon entfernt, zu schlafen. Er kauert mehr in seiner Ecke des Ehebettes, als daß er läge. Der Abstand zwischen den beiden Körpern scheint unendlich. Edi richtet sich demonstrativ auf, die Bettgarnitur rauscht und raschelt, ostentativ sucht er seine Zigarettenpackung auf dem Nachttisch, findet sie, zieht eine Zigarette heraus, sucht das Feuerzeug, verursacht bei jeder seiner Bewegungen Lärm, auf den Büdü ostentativ gereizte Reaktionen zeigt. Schlußendlich zündet Edi seine Zigarette an, der Ton ist überlaut in den Vordergrund gemischt, und es wird sehr lange dauern, bis er den ersten Zug genommen und wieder ausgestoßen hat. Aber die Kamera bleibt auf seinem Gesicht, das in die Ferne starrt, über jeden einzelnen Zug hinweg, seine Art zu rauchen ist alles andere als hektisch, selbstverloren. Und die meisten Zigaretten in der Türkei haben KingSize, mindestens 100mm. Irgendwann schlägt Büdü seine Decke zurück, ein ruhiger Schnitt auf ihn zeigt seine gebeugte, angespannte Haltung. Die ganze Zeit über bleibt der überlaute Ton des Rauchenden über das Bild gelegt. Büdü verläßt das Bett. Wir gehen wieder auf den rauchenden Edi, eine leicht veränderte Perspektive, auch sein Gesichtsausdruck hat sich nuancenhaft verändert, die An- und Abwesenheit seines Lebenspartners bewirkt in seiner Gefühlslage Schwankungen, er ist allein ein Anderer.
Wir hören Büdü in der Küche rumoren, er gießt sich ein Glas Wasser ein. Vom Ende des Korridors, der an die Schlafzimmertür angrenzt, sehen wir in einer Totale mit geringer Schärfentiefe Schatten, und hinten ein Licht, die Küche. Nur ein winziger Ausschnitt der Qadrage ist gefüllt, der Rest schwarz: Die Wohnung. Hinter der halbangelehnten Milchglastür der Küche sehen wir Büdüs behaarten Arm aus seinem Feinripphemd herausquellen, er schließt eine Kühlschranktür, Wasser schwappt ihm auf sein Hemd, er trinkt.
Er kommt lange nicht zurück, dies sehen wir daran, daß Edi seine Zigarette ausdrückt und mindestens fünf Minuten regungslos vor der unbewegten Kamera sitzenbleibt.
Dann igelt er sich in seiner Bettdecke ein, zieht sie über den Kopf, bleibt zusammengerollt in dem Zimmer liegen, zu dessen Tür nach einiger Zeit der unsicher schreitende Schatten Büdüs hereinkommt. Er blickt lange auf die Wurst herab, unter der sich Edis Körperformen verbergen. Dann legt er sich wieder ins Bett, strikt auf seine Seite, ganz an den Rand der Matratze, an deren anderem Extrem die eingerollte Wurst sich befindet. Er liegt wach, aber regungslos, blinzelt, ist nach wie vor nicht abgeschminkt.
In einer Totale des völlig finsteren Zimmers ist nicht ein Hauch von Bewegung auszumachen. Nach einer Weile hören wir die Geräusche eines Istanbuler Vorortzuges, der auf einer Trasse vor dem Haus vorbeifährt.
Es ist ein wenig heller geworden, als Edi unter seiner Decke herumwibbelt, rauscht und raschelt, schließlich seinen Kopf und dann den Oberkörper herausstreckt. Vorsichtig beobachtet er Büdü, der sich starr und angespannt schlafend stellt, ein Schmerz huscht über sein Gesicht mit den aufgerissenen Augen. Edi richtet sich auf, sucht rumpelnd nach Zigaretten und Feuerzeug, stößt gegen den gläsernen Aschenbecher, der Funkenschlag des Feuersteins durchzischt den Raum. Lautstark saugt er den Rauch ein, starrt in die Ferne. Büdü verläßt das Bett, dieses Mal benutzt er die Toilette, wir hören aus dem Off jedes Geräusch, das er dabei verursacht.

Nuri Bilge Geyik

1 Kommentar:

LaMadame hat gesagt…

Ich habe immer geahnt, dass Ernie und Bert in Wahrheit tragische Figuren sind...