Mittwoch, 29. April 2009

Nach ausführlicher Diskussion, gründlicher Reflexion, Problematisierung des eigenen Standpunktes, kritischer Kontextualisierung der Fragestellung und einem Pott voll Erdbeeren mit Sahne kamen wir zu folgendem Ergebnis:

Einen Mann, der sich beim ersten Date einen Latte Macchiato bestellt, kann man als Mann nicht mehr wirklich ernst nehmen. Zu wahrscheinlich ist, dass er auch gerne Boxershorts mit aufgedruckten Autos oder kleinen Flugzeugen trägt. Zu cremig, zu weiß, zu milchig ist das Getränk - die symbolische Nähe zu Mütterlichkeit, Kindheit, Warmduscherei ist offensichtlich. Ein Cappuccino ist okay, wenn auch ein wenig vorstadtcool. Natürlich geht ein Cappuccino nur ohne Aroma. Cappuccino mit Mandel-oder Vanilleshot - Vorstadtsnob mit feminin-kindlichem Gaumen. Am Milchkaffee ist vor allem die Darreichungsform peinlich: ein Mann, der mit beiden Händen eine große Schale zum Mund führt, um daraus Milchigweißes zu schlürfen, erinnert an ein Kindergartenkind, das den Teller leerschleckt, nachdem es die Cornflakes rausgefischt hat. Und wozu, bitte, braucht ein cooler Typ Milchschaum?? Was tut man  nun mit einem Mann, der lässig-cool einen 'Cortado' oder einen 'Cafè con leche' bestellt? Eigentlich muss man in Berlin-Mitte wohnen, um das nicht affektiert und arrogant zu finden. Implizit wird Weltläufigkeit signalisiert, und beide Begriffe sind ja durchaus gebräuchlich: in Spanien. Naja, das ist der Typ Mann, der glaubt, als Frau falle man schmachtend vom Edelstahlhocker, wenn er den korrekten Plural von Espresso weiß - und anwendet.....wobei ein Espresso prinzipiell okay ist. Da kann mann dann auch Zucker reinkippen, was wir ansonsten als eher unmännlich befanden. Zum Espresso fiel uns noch folgendes ein: einen Mann, der mit diesen neumodischen Espressomaschinenpads hantiert, möchte man erst einmal nicht mehr nackt sehen. Wie soll man es finden, wenn er seinen Kaffee mit etwas zubereitet, was an Damenhygiene erinnert? Und dann am besten wieder mit Kleinmädchengeschmack (Vanille, Mandel...). Das hat den Sexappeal eines Herrn, der Roiboos-Tee bestellt (wir wollen festhalten, dass Männer eigentlich nur Schwarztee trinken sollten, außer sie sind krank oder werden von einer Frau zu anderem gezwungen). Sehr sexy finden wir es hingegen, wenn ein gutgebauter Mann morgens lediglich mit einer kleinen Metallstielkanne auf der Herdplatte dickflüssigen, schwarzen Mokka fabrizieren kann. Puristisch-maskulin. Schön. Ganz grundsätzlich gilt jedoch eine einfache Regel: wir möchten Männer, die sich ganz normalen Kaffee bestellen und diesen auch so nennen. Mit ein bißchen Milch und ohne Zucker in normalen Tassen. Und nicht beim nachmittäglichen Bestellen ängstlich auf die Uhr gucken, ob sie dann noch schlafen können. Die sich nicht symbolisch kastrieren, wenn sie mit einem summenden Milchschäumer in der Küche stehen, weil sie selbst den Kaffee sonst zu stark finden. Männer, trinkt Kaffee, einfach nur Kaffee! Und seht gut aus dabei....

Eigentlich dekonstruieren wir ja Geschlechtskategorien sehr gerne. Essentialistische Zuschreibungen liegen uns in der Regel fern. Wir haben die Postmoderne nämlich kapiert. So. Doch das hier musste mal gesagt werden....macht ja sonst keiner.

Montag, 27. April 2009

*** sommer  -  sand im hosenaufschlag und dreckige füße vom barfußlaufen im gras und ein heller abdruck von uhr und ring und laue nachtluft auf nackten beinen und lila blütengeriesel im haar - sommer ***
Good bye, pro Reli. Keiner wird euch vermissen. Eure blöden Lügenwahlplakate dienen am 1. Mai hoffentlich den Randalierern als Brennstoff für Mülleimer und Autos. Nicht mal die, die wählen gegangen sind, waren mehrheitlich für euch. Die, die daheimgeblieben sind, wohl erst recht nicht. Sonst wären sie ja wählen gegangen. Jetzt werden die Kinder Berlins - zumindest die, die mittags lieber schwimmen, chillen oder klauen gehen als in den freiwilligen Reliunterricht (ja, den gibts, auch wenn ihr so tatet, als sei Religion in Berlin streng verboten) weiter ohne moralische Werte aufwachsen, den Turbulenzen einer relativistischen Postmoderne preisgegeben. Und wenn sie die Religion dann doch noch einmal für sich entdecken, rennen sie fiesen evangelikalen oder islamistischen Predigern in die Arme, anstatt eurer aufgeklärten Theologie zu folgen. Wie gut, dass ich im frommen Baden-Württemberg aufwachsen durfte. Wo der evangelische Kantor uns auf der Kinderfreizeit das Küssen beibringen wollte und die Jungs gerne auf den Schoß oder auch mal in seine Wohnung nahm. Wo der evangelische Religionslehrer jedes Mal im Unterricht mit anzüglichem Lächeln die Kleidung der Mädchen kommentierte. Wo es eines der Hauptgesprächsthemen auf dem freitäglichen Markt war, mit welcher seiner Sekretärinnen oder Haushälterinnen der katholische Pfarrer gerade wieder liiert ist. Ja, wir werden diese Werte hier im kommunistischen, atheistischen Berlin sicher vermissen......

Donnerstag, 23. April 2009



Style Control 1:
Es ist dunkel, kalt, es regnet. Wenn man schon einen beigefarbenen Trenchcoat braucht (was man eigentlich nie sollte, allein schon BEIGE... - naja, aber es gibt ja noch Jurastudentinnen....), dann ist definitiv kein Sandalenwetter. Für eine Britin war sie nicht bitchy, für eine Amerikanerin nicht sportlich genug. Damit sind meine Erklärungen, warum man nachts in Kreuzberg bei sprichwörtlichem Aprilwetter barfuß und mit unlackierten Nägeln in solchen
 Sandalen steckt, erschöpft. Es könnte mir ja egal sein - aber ich hab stellvertretend gefroren.


Style Control 2:
Männer in schwarzen Glattlederhosen gehen nur auf einer Harley und nur, wenn sie jung und gut gebaut sind. Sitzt allerdings ein Mann, der auch Versicherungsvertreter sein könnte, mit Schmerbäuchlein abends mit krummem Rücken in der U1, dann ist visuelle Flucht angesagt. 



Mittwoch, 22. April 2009


Wo anders als im Prenzlauer Berg kann man sich wähnen, nachdem man diese Seite der Speisekarte zu Ende gelesen hat? (Wohl auch deshalb erkundigte sich eine junge, hippe Mami in besagtem Biergarten (!) nach einem Stillraum...)


Dagegen wirkt dieser Ausschnitt aus Berliner Lebenswelten sehr unsubtil. Bedrohungen der Liberalität gehen jedoch nicht nur von gezückten Knarren aus. Der Gangster hier zum Beispiel möchte bestimmt nicht alle Raucher aus Freiluftcafés eliminieren lassen...

Dienstag, 21. April 2009

Die therapeutische Wirkung einer Typveränderung durch einen ausgedehnten Friseurbesuch wird völlig unterschätzt. Eigentlich sollte ich die Rechnung für den neuen Style meiner Krankenkasse schicken...

Samstag, 18. April 2009


   


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 berliner blütenmeer      

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Samstag morgen zwischen 9 und 11 wolle er kommen, um die Elektroschiene wieder abzuholen, sagte der Mann am Telefon. So früh?, gab ich zurück. Ich wollte ihn auf kurz vor 11 hochhandeln. Ein langer Abend in Kreuzberg lag vor mir, und eine Elektroschiene fand ich einen miserablen Grund, früher als geplant heimzugehen. Er redete über eine andere Fahrt nach Klein Machnow und dass er gleich am Anfang zu mir kommen wolle, also um 9 Uhr. Ganz schlecht. Am Samstag abend wollte ich doch auch weggehen, und ausgeschlafen macht das eindeutig mehr Spaß. Also versuchte ich es auf die unfreundliche Tour: er könne mich doch nicht so kurzfristig dazu zwingen, morgens da zu sein. Er berlinerte zurück, das sei nun mal so, sein Chef und überhaupt. Dann probierte ich es mit Logik: wenn ich jetzt gesagt hätte, ich sei dieses Wochenende gar nicht in Berlin, was hätte er denn dann gemacht? Junge Frau, aber ick hab Ihnen doch erreicht, dit kann ick doch ooch nüscht ändern!-  Ja aber WENN? -  Ja aber ick hab doch! Okay, Logik zog auch nicht. Mein letzter Trumpf: Aber ich bin morgen früh nicht da, log ich, ich muss zur Physiotherapie! Er wollte wissen wann. Um 9, sagte ich, also müsse ich schon um halb 9 ausm Haus und sei gegen 10 wieder daheim. Dann könne er gerne vorbeikommen und die verdammte Schiene abholen. Klein Machnow, sagte er. Das gehe nicht. Aber er komme dann vorher. Ich erwähnte nochmal die Physiotherapie. Er komme einfach davor, sagte er. Ich erzählte was von Duschen und Frühstücken und dass ich morgens keine Zeit für sowas hätte. Ich malte mir nebenher die Lippen für den Abend an, während ich mich um Kopf und Kragen redete. Er komme dann um 8.15. Da sei ich nach eigener Aussage doch noch zuhause und müsste fertig sein. Alles andere koste extra: Ick kanns doch ooch nüscht ändern! - Danke, das hatten wir schon. 
Und die Moral von der Geschicht? Etwa 'Lüge nicht?' Wir wollen es nicht übertreiben. Dann doch eher: Notlügen mit Strategie....

Donnerstag, 16. April 2009

Die klassische Frage: Existiert ein Text unabhängig vom Autor, hat er gewissermaßen eine Art Eigenleben oder Eigendynamik entwickelt, die sich dem Autor entzieht? Entsteht sein Sinn erst beim Akt des Lesens - im Auge des Lesers -  oder ist in ihm bereits davor irgendeine 'Wahrheit' enthalten? Kann man einen Text schön finden, auch wenn einem die Intention des Autors suspekt ist? Ist der Text dann überhaupt noch schön? Manche Menschen stellen sich diese Fragen in Bezug auf religiöse Texte, andere, wenn sie sich mit Literatur oder Poesie beschäftigen. Mir geht es allerdings nur um eine SMS. 
Prinzipiell ist es eine feine Sache, dass man nicht gleich zum Arzt rennen muss, wenn man eine medizinische Frage hat, sondern erst einmal im Internet nachgucken kann. Seit meiner Kreuzband-OP knackt es im operierten Knie, wenn ich gehe. Bevor ich nun quer durch Berlin in das vermutlich völlig überfüllte Wartezimmer meines Orthopäden reise, googelte ich mich heute morgen durch allerlei Medizin-und Sportlerforen. In einem der Foren wurde diskutiert, inwiefern das Knacken auf einen entstehenden Hüftschaden hindeutet und ob man eine Schiene zur Muskelstabilisierung benötigt. Das hatte ich in keinem der anderen Threads gelesen, die meisten Kommentare hatten bisher behauptet, ein Knacken sei anfangs recht normal wegen angeschnittener Patellasehne und so  - also las ich mich aufmerksam durch Beitrag für Beitrag. Erst nach langer Zeit stellte sich heraus, dass ich in einem Forum für Neufundländer!!! gelandet war. Also die Hunde, nicht die netten Inselmenschen.... Gut, dass ich bis zum Ende gelesen hatte und nicht postwendend von meinem Arzt eine entsprechende Schiene verlangt habe. Die Tücken der Selbstdiagnose - arme Ärzte, die sich mit uns internetaffinen Patienten rumschlagen müssen...

Sonntag, 12. April 2009

Zu Weihnachten und zu Ostern entdeckt 'Die ZEIT ' regelmäßig den Glauben als Thema. Leitartikel, Feuilleton, manchmal sogar der Politik-Teil: Artikel über die Auseinandersetzung diverser Autoren mit Religion und Glauben. Auffällig ist es, dass die Artikel allesamt sehr christlich geprägt sind. 

Diese Woche beispielsweise schreibt Sabine Rückert über ihre eigene Glaubensbiographie. Titel: "Warum ich daran glaube. Die biblische Auferstehungsgeschichte ist eine unfassbare Zumutung. Sie verändert unser Leben." In dem Artikel kommen Sätze vor wie: "Das Christentum ist keine Religion der Gesetzlichkeit, sondern proklamiert deren Überwindung, so begreife ich es. Der Christ ist frei. Alles ist ihm möglich. Yes, we can! Christen können übers Wasser gehen, Stürme stillen, den Teufel besiegen." Oder: "Christen sind Protestleute gegen den Tod in all seinen Varianten: Sie bieten der Bedeutungslosigkeit, der Depression, der Feindseligkeit, der Feigheit, der Inhumanität, der Selbstsucht die Stirn. Gegen alles anzustürmen, was klein, hässlich und verzagt macht, das ist ihre Aufgabe. Das ist meine Aufgabe."

Artikel wie dieser erscheinen in der ZEIT wirklich nur unter christlichen Vorzeichen. Militante Atheisten oder generell Religionskritiker übrigens, das sei der Fairness halber erwähnt, arbeiten sich in entsprechenden Texten, die gerne als Replik auf die Glaubensberichte erscheinen, ebenfalls am Monotheismus ab. Das wiederum ist meist Christentumskritik - der Islam fällt in eine andere Kategorie, da brauchts schon noch Terrorismus oder Kopftücher. Und welche deutsche Zeitung möchte ernsthaft den jüdischen Glauben widerlegen? 

Dennoch frage ich mich, warum solchen Glaubenspamphleten - denn das sind sie !- ein derart großer Raum eingeräumt wird - regelmäßig! Keine Oster- oder Weihnachtsausgabe der ZEIT der letzten Jahre verzichtete darauf. Dieses Mal gibt es übrigens noch einen zweiten Artikel: "Höher als alle Vernunft. Was ist dran am Auferstehungsglauben? Eine kleine Quellenkunde für Atheisten." Abgesehen von der Tatsache, dass sich auch sicher die meisten offiziellen Christen und Agnostiker in Deutschland nur mäßig in theologischer Quellenkunde auskennen: wenn man schon Atheist ist, dann fühlt man sich durch das Pathos des letzten Satzes dieses Artikels sicher abgestoßen und damit implizit bestätigt: "Die Geschichte vom leeren Grab hat niemandem seinen Tod erspart - aber die Geschichte von der Auferweckung lässt niemanden im Tod hängen."

Mich selbst treffen die Artikel an einem wunden Punkt. Viele Jahre lang hab ich mit diversen Religionen herumexperimentiert - allerdings fast ausschließlich auf theoretischer Ebene. Das Christentum hätte ich gerne für mich *gefunden*, einfach weil mir der Exotismus, der z.B. bei Konversion zu Islam und Buddhismus zum Tragen kommen würde, lächerlich erscheint. Außerdem, platt gesagt, finde ich die meisten christlichen, v.a. protestantischen Linksintellektuellen ganz phantastische, sehr nette und nachdenkliche Menschen. Und diese permanente dekonstruktivistisch-arrogante Religionskritik, wie sie an den Unis häufig ist, fand ich ermüdend und unoriginell. 

Leider fand ich das Christentum, je mehr ich las, immer reizloser gegenüber Islam und Buddhismus, zu zerfranst und unlogisch und unnütz für meine Lebenspraxis. Vielleicht kein gutes Argument, aber es schien mir nichts zu *bringen*, weder Erkenntnis noch Selbstdisziplinierung (ohne behaupten zu wollen, dies sei die Aufgabe von Religion). Irgendwann erkannte ich für mich auch im Hinblick auf den Islam, dass ich der Religion eine funktionale Bürde auferlegte, die sie gar nicht erfüllen konnte, außer ich schaltete einen Teil meines Wissens und Verstandes ab. 

Keine Ahnung, ob mich Foucault und co. für den Glauben verdorben haben - vermutlich nicht. Denn die Zweifel waren auch schon zuvor stets stärker gewesen, ein ständiger Begleiter meiner Suche. Als ob ich mir selbst dabei zuschauen konnte, wie ich nach einem Sinn suchte, von dem ich wusste, dass er der Sache selbst nicht zueigen war, sondern ein Sinn, der nur darin bestand, dass ich ihn der Sache eigenmächtig zugesprochen habe. Wenn aber Glaube keinen Sinn hat, sondern ich ihm nur Sinn gebe - dann könnte ich es ja auch ohne diese Zwischenstation über Gott versuchen.  

Als ich an diesen Punkt kam, wusste ich, dass ich nie ankommen würde (auch hier wieder nicht die Behauptung, dass das für Glauben gelten muss). Weil es, so glaube ich, gar kein Ziel außerhalb meiner eigenen Projektion gibt. Dennoch kommen immer wieder ganz ganz kleine Zweifel zurück, wenn ich dann Artikel wie jenen von Sabine Rückert lese. So intelligente, gebildete Menschen glauben daran - und du tust das so platt ab? Hast du es einfach noch nicht genug abstrahiert, intellektualisiert (man merkt meine protestantische Prägung...)? Der Zweifel besteht in einem leisen, nagenden "Und wenn doch?" 

Da merke ich, dass diese Sehnsucht in mir nicht völlig tot ist. Die Sehnsucht, eine Sicherheit zu finden, bestimmt auch der Wunsch, zu einer Gruppe, einer Glaubensgemeinschaft zu gehören, ethische Leitlinien für das eigene Leben zu finden. Und dann wieder, sobald ich das schreibe, die Überzeugung, dass das nur für meine Unsicherheit oder Verwirrtheit spricht, nicht aber für transzendente Wahrheiten. 

Bis vor einem Jahr etwa war ich sehr tolerant gegenüber Glauben oder Gläubigen um mich herum - oder besser gesagt: neugierig. Es hätte ja *das Richtige* für mich dabei sein können... Nun bin ich zunehmend genervt von Religion v.a. in der Öffentlichkeit. Das gilt ebenso für Zeitungsartikel, die Glauben propagieren, wie für Kopftücher in Schulen. Für Berlin überschwemmende Kirchentagsbesucher ebenso wie für Pro Reli-Aktivisten. Meine Abneigung ist nicht völlig rational, sondern speist sich aus einem Gefühl, das sehr präzise von Steven Weinberg, einem amerikanischen Physiker, (übrigens ebenfalls in der ZEIT) ausgedrückt wurde:

"Ich empfinde eine gewisse Sehnsucht nach dem vergangenen Zeitalter des Glaubens. Ich fühle mich von der Religion angezogen. Und meine Abneigung der Religion gegenüber rührt gerade daher, dass ich ein Verlangen nach etwas fühle, von dem ich weiß, dass es unwahr ist."


Mittwoch, 8. April 2009

Vermutlich  nur in Berlin kann man einen Biergarten, der auf dem Kreuz(!)berg liegt, "Golgatha" nennen. Unter der Woche nachmittags, die Sonne knallt heiß von einem dunkelblauen Himmel. Die Illusion von Hochsommer. Die Bäume blühen, die Insekten sind nach diesem Winter jedoch alle tot. Oben auf dem Sonnendeck liegt ein Mädchen auf einer Bierbank und bräunt den Bauch. Ein dezenter Geruch von Marihuana weht vom Spielplatz herüber. 

Er möchte gerne in der Sonne sitzen. Dabei wird er viel schneller Sonnenbrand kriegen, blond, wie er ist. Vor zwei Wochen hatten wir noch Schneeregen. Jetzt sehne ich mich das erste Mal dieses Jahr nach Schatten. Er holt kühles Bier. Wir fallen in die Hollywoodschaukel und baumeln mit den Beinen. Die Bänke um uns füllen sich. Reggaemusik, ziemlich leise, aus dem unteren Teil des Biergartens. Mitten in der Stadt und doch ganz weit draußen.

Als wir gehen, sehe ich, dass der Biergarten W-Lan hat. Doch weit und breit kein Laptop zu sehen. Seltsamerweise bin ich froh darüber. Wäre eh viel zu wacklig gewesen auf der Hollywoodschaukel...

Sonntag, 5. April 2009

Süße Heimat - was Wikipedia zum Heimatslang zu sagen hat:


Ruft der Schwabe seiner Frau zu „Alde, sau!“, so bezeichnet er sie nicht als weibliches Schwein, sondern weist sie an, schnell zu rennen (z. B. wenn sie sonst den Zug verpasst oder in der Küche das Spätzleswasser überkocht). Der Begriff „Alde“ bzw. „Aldr“ ist zwar nicht besonders freundlich, unter länger verheirateten Paaren aber durchaus gebräuchlich.

Die Fliegenklatsche heißt auf Schwäbisch „Fluigabätschr“ oder auch „Muggabatschr“ (Mückenbatscher). Für etwas unvorstellbar Kleines oder auch allgemein für "ein bisschen" wird "Muggaseggele" verwendet. Wörtlich bedeutet "Muggaseggele" (Hoden-)Sack einer Fliege.

Personen, die von nördlich des Oberdeutschen Sprachraums herziehen, werden als „Zuagreisde“ (Zugereiste) bezeichnet, was als ein Makel gilt, der frühestens – wenn überhaupt – nach mehreren Jahrzehnten oder gar Generationen der Integration behoben werden kann. Personen aus einem anderen „Flegga“ (Dorf) werden als „Raigschmeggde“ (Hereingerochene) bezeichnet. Auffallend ist in diesem Zusammenhang auch die Vielfalt scheinbarer Schimpfworte.

Im Schwäbischen gibt es insbesondere eine reiche Anzahl an derben Redewendungen mit denen sich hervorragend schimpfen lässt. („Dir schlage d’Fiaß ab, dass de uff de Schdomba hoimquaddla muasch.“, „Des isch vrschdônga ônd vrloga!“,„I schlah dr’s Gwänd ah!“, „Dem henge s’Greiz aus!“, „Mir gôht glei dr Gaul durch.“, „Wenn du so lang wärsch wia bleed, nô könnsch dr Mond am Arsch lägga.“,„Dem lauft dr Rotz dá Backa nuff.“, „I schlag dr oine an d' Battrie nò.“, „Wenn ia an Hendera hed wia dei Gsicht, no dät ia mi sogar beim Scheissa schäma.“ u. v. m.)

Für „Zuagreisde“ haben zahlreiche schwäbische Speise-Bezeichnungen einen geradezu widersinnigen, ans Pornographische oder Ekelerregende grenzenden „Beigeschmack“. So sind „Nônnafürzlá“ „Bärádatzá“, „Knuikieáchles“, und „Muggabätsch’r“ (hdt. „Nonnenfürzlein“, „Bärentatzen“, „Knieküchlein“ und „Fliegenklatsche“) nichts anderes als bestimmte Süßspeisen. „Buabaschbitzlá“ bzw. „naggede Marieala“ (hdt. „präpubertäres männliches Geschlechtsteil“ und „Nackte Madonnen“) sind keinesfalls als Entlehnungen aus dem obszönen Sprachschatz der Schwaben (der ein Kapitel für sich darstellt) misszuverstehen, sondern regional unterschiedliche Bezeichnungen für die inzwischen auch über Schwaben hinaus bekannten „Schupfnudeln“ (mit Kartoffeln (schwäb. „Erdepfl“ „Ebiará“ oder „Grommbiará“) gestreckte Teignudeln).

Man hört einem Schwaben erstaunlich treffsicher an, ob er aus einer katholischen oder aus einer evangelischen Gegend kommt. Katholiken sprechen einige wenige Wörter, die primär aus dem Bereich Schule/Kirche kommen, gegen die Regel des Dialekts eher nach der Hochsprache. Das betrifft unter anderem die Wörter Seele, Lehrer, Ehre, aber auch das Wort sehr, das in der Umgangssprache im Gegensatz zu den ersten häufig vorkommt. Ein Katholik spricht das e in diesen Wörtern lang und geschlossen (wie im Hochdeutschen), ein Protestant spricht dieses e offen, also als ä.
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*  kreuzberg blüht   *
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Freitag, 3. April 2009

Eigentlich gäbe es so viel über die letzten zwei Wochen zu schreiben, weil so viel passiert ist. Letzte Woche, als ich noch offline war, drängten sie nach draußen, all die Anekdoten, Gedanken und Beobachtungen. Jetzt, mit ein wenig Abstand, der aufgrund meines momentanen  *Vollzeitjobs* notgedrungen eintrat, verblasst all das angesichts des aktuellen wirklichen Lebens, das gerade so viel praller und intensiver erscheint. Was interessiert mich die letzte Woche noch?! Das 'Internetfasten' dieser offline-Zeit hat im übrigen wirklich Fastencharakter bekommen - nie  in den letzten Jahren konnte ich so gut ohne oder mit wenig wie momentan. Ist's nur der Frühling, dieser Zauber, der gerade über Berlin liegt? Oder doch die  Wiederentdeckung der eigenen *Sinnlichkeit*, die sich eben doch nicht an Bildschirm und Tastatur erschöpfen kann und möchte und sich auf verschlungenen Wegen nun ganz neu Bahn bricht? Grade wäre ich sogar lieber Briefträger oder Straßenkehrer, als dieses wundervolle Leben hinter Bürofenstern, festgenagelt vor einem PC, an mir vorbeiziehen zu sehen. Vive la vie!