Donnerstag, 14. Januar 2010


Ich mag die Berliner Busfahrer irgendwie. Wenn sie doch nochmal die Tür für einen öffnen, dann einem patzig einen Vortrag halten über Verspätungen und das Wetter und überhaupt und dann doch irgendwann grinsen müssen, wenn man penetrant lieb lächelnd ganz artig 'trotzdem danke' sagt.

Dienstag, 12. Januar 2010

Winter in Berlin





Das Ehepaar schaute etwas pikiert auf die Frau, die sich neben ihn in der U-Bahn Richtung Kreuzberg niedergelassen hatte. Mit ihrer hellblauen, viel zu großen Windjacke, dem massigen Körper in den schmuddligen Stoffhosen, der rausgewachsenen schlecht blondierten kurzen Dauerwelle und dem groben Gesicht passte sie nicht zu dem verschneiten Sonntagmorgen, wo Berlin plötzlich so sauber und makellos wirkte. Die Plastiktüte mit klappernden Flaschen wies sie entweder als Alkoholikerin mit Provianttasche oder als eine der nimmermüden PfandflaschensammlerInnen aus, die damit ihr Hartz IV aufbessern. Oder beides. "Wo jeht et denn zum Mehringdamm?" fragte sie die neben ihr sitzende Frau laut und stupste sie dabei in die Seite. Diese sagte schüchtern, dass sie das nicht wisse, da sie und ihr Mann nicht von hier seien. "Woher kommense denn?" fragte die Windjackenfrau forsch zurück, mit Polizeiblick. "Aus Österreich." Ihr Ehemann schaute angestrengt nach draußen. "Österreich? War da nüscht der Neonazi an der Rejierung? Wie heeßt der nochmal?" Das Ehepaar blickt konsterniert vor sich hin. "Keine Ahnung", sagt die Frau leise. Offenbar möchte sie am Sonntag morgen nicht den Casus Haider in der U7 Richtung Rudow diskutieren. "Und was is aus dem jeworden?" blafft die Windjackenfrau. Ihre Plastiktüte klappert auffordernd. Schweigen. Die anderen Fahrgäste im Waggon weichen mit ihren Blicken aus. Nur ich und eine andere junge Frau haben Mühe, uns ein Grinsen zu verbeißen. Als das Ehepaar nicht mehr antwortet, beginnt die Windjackenfrau von ihren Feiertagen zu erzählen: "Meen Mann war im Jrankenhaus, Weihnachten und Silvester war ick alleen. Aber kann man nüscht machen, ne, krank is krank." Die österreichische Ehefrau nickt eifrig: "Jaja." Ich glaube, sie hat Angst vor dieser großen, lauten Person neben sich. Sie fügt leise hinzu: "Krank sein ist nicht schön." Die Windjackenfrau freut sich, sie hat ein gemeinsames Thema gefunden. Und erklärt dem Ehepaar eifrig, wie man gesund bleibt: "Lesen Sie die Apotheken-Umschau?" Das Ehepaar blickt sich fragend an. Die interkulturelle Verständigung gelangt gerade an ihre Grenzen. Dann kommt der Mehringdamm, und die Windjackenfrau zuckelt mit ihrer Tüte nach draußen. Ob man in Österreich am Sonntag morgen auch so viel Spaß haben kann?