Freitag, 31. Oktober 2008

ein anderes Problem stellt meine lustlose Intoleranz gegenüber Religion in der Öffentlichkeit dar, zumal wenn dies beides in beruflichem Kontext eintritt, in Form einer - sagen wir mal - Zusammenkunft in einem Gemeindesaal, mitten in einer beliebigen Großstadt, bei der Anhänger (die meisten sind -innen) eines undogmatischen Katholizismus unisono mit solchen eines undogmatischen Islam auf höchst undogmatische Weise Versatzstücke aus eigentlich doch recht interessanten Texten mittelalterlicher Denker exzessiv auf die _Einheit_ der mystischen Schau, der Liebe zum Alles-ist-Eins herunterbrechen,
wenn man nicht einschlafen kann, trotz der von all diesem Seelenglühen Dritter herrührenden, bitteren Erschöpfung, und sich fragt, ob es noch dümmer sei, diese Texte vor solchem Sich-mit-Ihnen-Eintunen bewahren zu wollen, als Heidegger vor seiner Vereinnahmbarkeit durch Nazidenke schützen zu wollen,
man sich fast schon schämt, immer und immer wieder den katechetischen Witz zu bemühen, den David Foster Wallace Jahre vor seinem traurigen, aber verdienten Freitod formulierte:

the mystic approaches the hot-dog stand. Saith he: Make me one with everything.
Als Teil der nicht arbeitenden Bevölkerung (diskussionswürdig, übrigens.....) bin ich froh, in dem einzigen Bundesland zu leben, in dem weder der Reformationstag noch Allerheiligen gefeiert wird - Feiertage um diese Jahreszeit herum sind trostlos, zumindest wenn ich mich noch recht an die sprichwörtliche Grabesruhe um Allerheiligen rum in Ulm erinnere. Warum bin ich dann aber selbst in Berlin gezwungen, mir Kirchenchöre anzuhören, sobald ich morgens das Radio einschalte, warum muss ich auf irgendwelche Lieblingsserien zu verzichten, weil stattdessen aufm Bildschirm Messen gefeiert werden? Gerade bin ich lustvoll intolerant gegenüber Religion in der Öffentlichkeit. Das werde ich zwar für einige Wochen aussetzen, wenn ich mir ab Anfang Dezember von den Ally McBeal-Christmas-Hits bis zu den rauchstimmigen Jingles von Johnny Cash plus amerikanisierter Weihnachtsdeko Herzschmerzeventchristentum gebe, egal ob zuhause oder im KaDeWe. Aber auf lateinische Messen als Badezimmermusik kann ich dennoch verzichten. 

Dienstag, 28. Oktober 2008

....nun nur noch die Frage: bin ich nun ein- statt ausgesperrt oder: war die Sperre eigentlich jemals da?!

Jede genommene Hürde ist ein kleiner Sieg - vor allem, wenn man gehüpft ist, obwohl man sich kurz vor der Hürde, da, wo es eigentlich nicht so gut für einen ist, schon so bequem eingerichtet hat, einfach nur aus Angst vor dem Sprung (und weil man weiß, dass man, kaum landet man, schon wieder fast gegen die nächste Absperrung knallt....)

Dienstag, 21. Oktober 2008

Imaginierte post-extraterrestrische Intersexualität - ey, ich muss echt nicht alles gut finden....

Kontakte 2.0

Vor einem Jahr wurde man noch von den einen als 'total hip', den anderen als infantil oder echt naiv angesichts der 'totalen Überwachung' angesehen, wenn man nur im studivz war, diesem Retro-Portal, das was von einem 'Meine Schulfreunde'-Album hat. Dann kam facebook, zumindest für diejenigen, deren Horizont auch mal über Rhein und Oder hinausreicht, die des Englischen auch mächtig sind, wenn es über ein 'Stop' und 'Play' auf ihrem DVD-Player hinausgeht bzw jene, die 'den Amerikanern' nicht noch viel perfidere Überwachungstechniken unterstellen. Denn dass facebook sehr viel striktere Regelungen für die Privatsphäre hat, ist doch höchst verdächtig. Myspace wiederum ist von jeher den Künstlern, den Möchtegernkünstlern und den Prolls vorbehalten - viel Musik, viel Blingbling, viel Action.

Nun passiert aber etwas Erstaunliches: Plötzlich scheint jeder bei Xing zu sein. Über alle politischen Grenzen hinweg, die Computerfreaks ebenso wie die Misstrauischen, die Soliden und Arbeitenden ebenso wie die Dauerstudierenden. Erstaunlich finde ich das deshalb, weil noch vor einem Jahr, als bei einer Party das Gespräch auf Xing kam, viele noch nie davon gehört hatten, die, denen der Begriff was sagte, sich erstmal stritten, ob es nun 'ksing' oder 'crossing' ausgesprochen werde, und sich generell dann alle einig waren, dass das neoliberaler Shit sei. Etwas für BWLer, Juristen, Ingenieure, also all diejenigen, die eh nie auf 'unseren' Parties rumhängen. Für Leute, die im Hosenanzug oder Kostüm auf Unternehmensmessen gehen. Für die, die schon mit 18 Bausparverträge abschlossen. Die, die die Schönheit eines angeblich sinnlosen Magisterstudiums überhaupt nicht schätzen können.

Passé. Bei Xing findet man sie nun alle. Mich auch. Natürlich. Ich bin voll 2.0. Und das sogar gerne. Ich sage 'ksing'. Und finde, manche Hosenanzüge stehen mir ganz glänzend. Ein silbermetallicfarbener Benz würde das noch unterstreichen. Das Allerschönste ist, dass ich dann, wenn ich auf dem Parkplatz des Unternehmens, das ich auf der Messe aufgetan habe, aus dieser Luxuskarre klettere, all meine lieben Freunde aus der Studienzeit wiedertreffen werde. Die jetzt alle bei Xing sind. All die Systemkritiker, die Antikapitalisten, die 'Anderen'. Mit Latte Macchiato diskutiert sichs bequemer. Natürlich alles voll ironisch. Natürlich. Was auch sonst?
Ein geliebter Mann sagte einst zu mir, es sage viel über mich aus, dass mein liebstes Wetter kalte Sonne sei. Er wurde sogar richtig wütend darüber, und ich fühlte mich schon fast schuldig, dass ich nicht kleinmädchenlike auf laueFrühlingsabende oder vollweibmäßig auf heiße Sommernächte stehe. Zumindest nicht ganz so sehr wie auf klare, eiskalte, sonnige Herbst-oder Wintertage. Heute morgen ist es wunderschön draußen, die Blätter sind knallbunt, die Sonne strahlt vom Himmel, es weht ein leichter Wind. Als ich eben aufm Fahrrad saß, freute ich mich über all die Farben - und war leicht genervt von der unerwarteten Wärme. Noch 15 Grad weniger, und es wäre perfekt gewesen.

Freitag, 17. Oktober 2008

Ausgesperrt...
Im Herbst passt sie wenigstens zum Wetter. Meistens. Melancholie, ein schönes Wort, wenn man nicht grade den Ehrgeiz hat, den Begriff wörtlich zu übersetzen (bäh...). Ich gehe davon aus, dass nicht alle das gleiche meinen, wenn sie sagen, sie seien heute melancholisch. Traurig meine zumindest ich damit nicht, zumindest nicht die Art von Traurigkeit, dass man heulen möchte. Eher fühle ich eine Eisenklammer um meinen Magen. Die auch den ganzen Tag nicht weggeht und wie ein Hintergrundprogramm bei allem, was ich tue, drückt. Irgendwie weiß ich, dass ich froh sein sollte, sowas überhaupt fühlen zu können - wie krass muss es sein, wenn da nur noch Leere ist? Deshalb schwanke ich, das Gefühl mit vollem Bewusstsein ertragen zu wollen, am besten noch verstärkt mit der passenden Musik und ganz allein mit mir. Oder zu fliehen. Fernsehen, Telefon, Freunde - einfach vergessen versuchen. Wegtrinken. Wegessen. Wegreden. Wegarbeiten. Wegschlafen. Wegschreiben. Grade switche ich hin und her. Die Sonne scheint draußen. Mir wäre es lieber, es wäre schon dunkel. Ich werde jetzt wieder eine Fluchtaktion starten. Die Eisenklammer bleibt. 

Sonntag, 12. Oktober 2008

Sonntag mit dem Weltgeist

ich habe ein Problem. Weiß aber nicht, ob ich darüber mit jemandem reden kann. Oder überhaupt möchte. Ich versteh ja nicht viel von Wirtschaft; mein Erfahrungswissen beschränkt sich auf zwei-drei Kapitalschulungen in meiner Jugend und das sporadische Spielen von Freibeuter- und Freihandelssimulationen am Computer, jetzt im reiferen Alter. Beim Das Kapital wollte ich immer nur das Kapitel über den Warenfetischismus machen, weil ich mich so entfremdet gefühlt und ganz gut bei Hegel ausgekannt hab. Heut nutzt es mir nur noch dazu, dem als akribischer Recherchierer hochgeknuteten Wolfgang Schorlau eklatante Fehler (ja ja, G-W-G' als Synekdoche, ne?) nachzuweisen, was mir wiederum nur in den Sinn kommt, weil ich ihn einen schlechten Autor finde. Die Simulationsspiele hingegen nutzen dazu, jene größeren Zusammenhänge zweitweise zu vergessen, die als blinde Gewalten mein sehr unglückliches, obschon sicher nicht unterprivilegiertes Leben bestimmen.

Daher komme ich nicht umhin, meine Bereitschaft zu hinterfragen, Meldungen über die Finanzkrise Glauben entgegenzubringen. Paul Auster soll sie ja alle lesen und trotzdem kaum verstehen, was da passiert. Ich hab eigentlich nur eine überflogen. Die war so herrlich performativ aufgebaut, auf sowas fall ich immer rein und kauf mir dann irgendwas, wo vorne ein i- dransteht.
"Da staunen selbst Altlinke: US-Vorherrschaft bröckelt".
Zunächst musste ich als Altlinker staunen, dass jemand sich solche Schlagzeilen einfallen lässt. Die Vorstellung, dass ein Altlinker noch über einen Vorgang in der dinglichen Welt ein Staunen empfinde, - auch wenn es kein philosophisches ist, da es nicht am Anfang einer Erkenntnis steht, es sei denn der, daß die Vorstellung von Geschichte, aus der es stammt, nicht zu halten ist - scheint Nachrichtenwert zu besitzen. Ich erlebte eine Althussersche Anrufung aus dem Netz, ein he-sie-da.com, das mir erstaunlich bei meiner fortwährenden Subjektbildung half. Denn da schien mich die Weltgeschichte persönlich anzusprechen.

Im harten Winter, der auf das Jahr 2001 hinauslief, und inmitten der wirklich spürbar harten Auswirkungen der damaligen türkischen Wirtschaftskrise, las ich in meiner aus Kostengründen kaum geheizten Istanbuler Wohnung einen Artikel. Oben wohnte der Sohn des Hausbesitzers, ein großer Klerikalfaschist vor dem HErrn, unten ein Lehrerehepaar mit einer sehr netten, linksterroristischen Tochter. Die Zeitung hatte man mir aus Großbritannien zugeschickt, sie wurde von revolutionären Kommunisten herausgegeben, die es zeitlebens mit ihrer Kapitalrezeption sehr geflissentlich gehalten hatten, und eine Autorität schrieb über die theoriegesetzliche Unausweichlichkeit, dass die Überbürdung der US-amerikanischen Finanzmärkte mit fiktiven .... notwendig zum Zusammenbruch ... Frage der Zeit ... Verlust der politischen... Und so.

Ich fand das damals sehr interessant, weil ja Käse und Erdgas so teuer waren, war aber schon alt genug, um zu wissen zu meinen, dass marxistische Prognosen so viel Wert sind wie das Papier eines Positionsflugblattes zum ersten Mai in Bremen. Aber Ihr wisst ja, wie das bei dem Hegel mit dem Meinen ist. Dann kam erst einmal der 11. September, und man hatte andere Fragen.

Nicht, dass mir nicht eben in den Sinn gekommen wäre, wie der Lenin mal zum Trotzki meinte, auch eine stillstehende Uhr zeige zweimal täglich die rechte Zeit an. Trotzdem.

Freitag, 10. Oktober 2008

die flecken zwischen meinen herdplatten nehmen facetten des farbenspiels wieder auf, das der herbst vor meinem fenster auf bäume zaubert

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Dunstig blauer TeenAger

Offiziell bin ich irgendwas zwischen Nicht-und Gelegenheitsraucherin. Eher Nichtraucherin. Bisher jedenfalls. Das jedoch mehr gefühlsmäßig denn irgendwie an der Realität gemessen, zumindest wenn man das alles quantitativ erfassen möchte. Wir leben in einer Statistikkultur, wo alles gemessen und erfasst werden kann. und rein statistisch rauche ich in den letzten Wochen mindestens 20 Zigaretten mehr pro Woche als der durchschnittliche Nichtraucher. Selbst in Anbetracht von Volatilitätsspannen ist das bemerkenswert, und gerade in Anbetracht der momentanen Finanzkrise sind solche streng ökonomischen Parameter sowieso in Verruf geraten. Also zurück zum Gefühl: demnach switche ich gerade ins Lager der Raucher. Ausgerechnet jetzt, wo im Zuge der Amerikanisierung und Hygienisierug der Körper-und Öffentlichkeitskultur das Rauchen irgendwo zwischen psychologischem Defekt (Willensschwäche!), Krankheitsbild (Sucht!) und pädagogischen Pathologisierungen (Gruppenzwang! die Medien!) changiert. Hmmmmm.  Früher fand ich diesen Rauchenistcool-Kult immer ziemlich infantil. Die Raucher aufm Schulhof, in der Eislaufdisco, im Schullandheim, die Supercoolen, ihr Selbstbewusstsein aus einer 4DM-Packung+Streichholz ziehend. Armselig. Das Genervtsein, wenn sich wieder eine Party trotz Nieselregen und vollem Buffet im Wohnzimmer auf einen Balkon verlegt hat, den place to be einer jeden coolen (!) Fete (voll das 80er-Wort übrigens). Wenn sich alle in einem Café mangels anderer Gesprächsthemen über die tolle Luft freuen (geht joggen, mein Gott....). Jetzt ist alles anders. Rauchen wird widerständisch (ein ncoh alberneres Wort). Parties werden - neben Gebärerfahrungen - mit dem Thema bestritten, dass es doch soooo toll sei, dass die Kleidung nun nimmer nach Rauch stinke, wenn man nachts heimkomme. Unerotisch. Erotik ist nämlich oft unvernünftig, und eine 'Zigarette danach' ist dies im höchsten Maße, aber: wenn man schon raucht, 'dann nur in der Küche, also echt', wenn es nach der sehr moralisierten, aber eben höchst unerotischen Öffentlichkeit geht. Langsam bekomme ich Spaß am Rauchen. An der Pose. Der Symbolik. Unglaublich eigentlich, dass man echt nur noch eine Paareuropackung Nikotin braucht, um Leute dazu zu bringen, einem eine Grundsatzdiskussion reinzudrücken. Am schönsten dann, wenn man nicht mehr vor den schwangeren Frauen oder Kindern rauchen soll. Da werden ehemalige Punks zu Biopredigern....Ich finde es wunderbar, ausgerechnet jetzt, die 30 knapp überschritten, endlich zum richtigen TeenAger zu werden: Rauchen, weil es anders ist, weil es nervt, weil man das eigentlich nimmer tut. Danke, liebe Umwelt, dass ihr mir die Rebellion so einfach und so billig macht.

Dienstag, 7. Oktober 2008

unlimited edition

vor rund einem Jahr hatte ich ja den Verdacht, dass jemand aus meinem Hausflügel regelmäßig meine Zeitung von den Treppenstufen stahl. Bei den von mir kriminalistisch identifizierten Tatverdächtigen handelte es sich um ein Ehepaar, das wahrscheinlich schon seit der Nibelungenzeit in diesem Gebäude lebt. Inzwischen schwant mir, dass sie meine Zeitung vielleicht gar nicht angeeignet, sondern schlicht entsorgt haben, weil sie zu lange, oder überhaupt, auf den Treppenstufen lag.

um 7 Uhr aufzuwachen, weil man das versprochene Fax am Vorabend zu schicken vergessen hat, es geht um einen buchhalterischen Vorgang. Keines der unzähligen, per Fahrrad ansteuerbaren Telecafés ist zu Beginn der Bürozeiten geöffnet. Vielleicht ist das Einzige, was ich heute noch gewinnbringend aus Lenin zu ziehen vermöchte, seine Abneigung gegenüber der Unmenge an kleinen Ladenbesitzern, die in Zeiten schärfer werdender sozialer Disparitäten (ja, ich weiß: Klassenantagonismen) überall entstehen. Unsere hier sind allesamt migrantisch. Nur eines - wie passend: Mit spezifisch linksradikaler Plakatwerbung im Fenster - hat geöffnet, doch man bekommt den Papierstau nicht behoben.

beim Bäcker unvermittelt daran gedacht, mit welcher Verachtung kleine Ladenbesitzer in der Türkei oft die Frage "talebe misin" ausgesprochen haben, bist du Student, mit diesem unmöglichen Paläologismus. Da ihnen der soziale Status des Studierens ingesamt suspekt vorkam. Plötzlich verstanden, dass ich selbst eigentlich nur das Beste an der BRD der 70er mitbekommen habe, nämlich die Reaktion der Reaktionäre: Dass mein schlesischer Vater gar nicht so sehr mit meiner Wahl der Studienrichtung unzufrieden, als dass ihm die gesamte soziale Gruppe der Studenten eine feindliche Bedrohung war, und er mich am Liebsten in die Lehre gegeben hätte.

nur ungern betrete ich das Gebäude der Bundespost, und freue mich, als ich nicht mit einem Wäre-ich-mal-Sofort herauskomme, sondern dem Schmunzeln über einen strengen älteren Herren, der zunächst nur "Nä!" sagt. Dann überlegt er, möchte korrekt sein: "Haben wir, aber nur für den internen Gebrauch. Nicht für ..." Auffallend lange mustert er mich, er scheint sich der Anrede unsicher, "... so andere Sachen." Letztlich ist es auch um diese Tageszeit schön, einmal nicht Kunde zu sein, als bestünden noch Rückverbindungen in jene Zeit, da man nicht primär mit dem Markt, sondern dem Staat konfrontiert, selbst beim Jobcenter nicht Kunde, sondern beim Sozialamt ein Vorgang war; da die Grenzen zwischen uns und dem Feind noch gezogen, und es nicht diese Myriaden an kleinen Ladenbes...

ich weiß nicht, ob es an der Jahreszeit liegt, aber anscheinend bekomme ich jedes Jahr einen Brahmsflash. Dieses Jahr hat es mir insbesondere Artur Rubinstein angetan, dem ich ganz snobbistisch von Vinyl dabei zuhöre, wie er die Klavierkonzerte eins und zwei, wie sagt man so schön, interpretiert. Dass jede Lektüre ein neuer Text sei, gilt bestimmt auch für Partituren, und meiner knackt und knistert, da er aus einer Krabbelkiste beim Antiquariat stammt. Warum der Brahms wohl den Dvořak so herablassend behandelt hat, bestimmt bloß antislawische Motive. Vor allem, wenn Letzteren Sviatoslav Richter interpretiert, auf einer Schallplatte des Labels EMI, das ansonsten ja eher durch die Sex Pistols in Erscheinung getreten ist.

beim Vorbeifahren davon geträumt, dass der Installationsmeister Klotz, der hier anscheinend so etwas wie ein persönliches Innungsmonopol besitzt und mir zur Wartung der Therme einen Nazi in die Wohnung geschickt hat, von Myriaden von migrantischen Kleinbetrieben abgelöst wird. Obschon: Der erste und griesgrämigste Unzähligekleinelädenbetreiber auf meiner Route war von mir im letzten Winter belauscht worden, wie er stramm faschistisch gegen kurdische Terroristen agitierte. Den möcht ich auch nicht früh morgens in meiner ungepflegten Küche haben.

an einem nüchternen Oktobermorgen kann es einem leicht so vorkommen, als bestünde die Welt nur aus Männern in hellen, teuren Anzügen, die Kinder haben und gern die Pistols hören, und solchen, die sich wie Klötze am Markt positionieren, und nicht möchten, dass ihre Kinder studieren, damit sie später keine hellen, teuren Anzüge tragen und Aufnahmen aus dem Hause EMI hören.

Freitag, 3. Oktober 2008

Es möge sich angesprochen fühlen, wer damit angesprochen wird.....doch die tun es ja meistens nicht....

http://www.youtube.com/watch?v=6ZcIUAe-DdI

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Bioladenerotik

Bioläden riechen komisch. Zwar nicht ganz so muffig wie die Reformhäuser, die in dunklen Ecken jeder deutschen Kleinstadt unglaublich teure Körner an magere ältere Damen verkaufen. Aber dennoch haben auch die Bioläden 2.0 einen seltsamen Geruch an sich. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob das an den Produkten oder den Menschen darin liegt. Vermutlich an beidem. Weleda-Zitronella-Deo und Rosmarinseife ohne Zusatzstoffe hat nunmal nicht die Wirkung von Rexona Sport Power und Nivea Lavender Shower Gel extra soft. Mit Waschnüssen gereinigte Klamotten riechen - so meine Behauptung - sicher auch anders als meine in Jasminweichspüler gebadeten und mit Duftbügelwasser veredelten Kleidungsstücke. (Allein für die letzten 3 Sätze werde ich mich wohl bald einem Parteiausschlussverfahren bei meiner Lieblingspartei unterziehen müssen.)

Am abschreckendsten gestaltet sich in Bioläden jedoch die Kundschaft selbst. Dass Bio-Essen gesund und oft auch schmackhaft ist: geschenkt. Aber gerade dafür sehen die Leute in diesen Geschäften echt nicht gesund und glücklich aus. Bleich, kraftlos und irgendwie asexuell. Zwar will uns die dort verteilte Zeitschrift 'Schrot & Korn' in ihrem Anzeigenteil davon überzeugen, dass auch vegane Mondfrauen und ovolakto-Stiere ein aktives Liebesleben haben. Stehe ich jedoch in der Bio Company am Käsestand und gucke auf diese geschlechtslose Jack Wolfskin-Jacken-Fraktion, gebeugte Enddreißigerinnen mit ihren aschblonden Pferdeschwänzen und unerträglichen Kindern an der garantiert unmanikürten Hand, bebrillte magere Jünglinge ohne Bartwuchs mit sabbernden Babies in gestreiften Tragetüchern, mit der Verkäuferin über laktosefreien Käse und glutenfreies Kartoffelbrot diskutierend, dann fällt es mir schwer vorzustellen, wie die besagten Babies und Kinder überhaupt zustande kamen. Haben die beiden Wesen sich irgendwann angeguckt und wirklich gedacht: wow, den/die/das will ich, jetzt sofort und richtig nackt!!!??

Mittlerweile gehe ich durch den Bioladen nur noch, weil er die optimale Abkürzung ist, wenn ich nicht um den ganzen Block laufen will. Einkaufen tu ich am liebsten im türkischen Supermarkt. Die Leute wiegen etwas mehr (und verdienen größtenteils sehr viel weniger), aber sie wirken so, als hätten sie ein Leben ohne allzu viele Allergien und Neurosen. Und selbst wenn, sehen sie dabei besser aus. Von den Leuten bei McDonald's ganz zu schweigen. Prolo-Rettungsringe (a.k.a. love handles) über Glitzerorsayjeans sind allemal sexier als demetergenährte Trekkingschuhträgerinnen mit Hornhaarspange, die das Monatsgehalt eines Fabrikarbeiters für den Tofu-und Keimlingeinkauf raushauen können.

Politisch korrekt würde ich das übrigens so ausdrücken: soziale Aspekte sind mir bei meinem Konsumverhalten tendentiell wichtiger als ökologische, die nur einem privilegierten Bildungsbürgertum voll zugänglich sind. (Aber der Geruch spielt auch ne Rolle, ich geb's ja zu....)

Manche drücken es fast noch schöner aus:
http://blog.zeit.de/berlinjournal/?cat=10

Amerika im Abwärtstrend?

Neulich wollte ich meine Bücher ordnen. Ich hatte schon vieles: nach Verlag, nach Größe, nach Themengebieten. Angesichts der stetig wachsenden Zahl machen Themengebiete mittlerweile auch echt Sinn. Nun kann man ja aber innerhalb der Themengebiete fröhlich weiterordnen: nach Verlag, nach Größe, nach Farbe, nach Sprache, nach Autor (nein, ich habe sonst nichts zu tun, zum Glück auch keine Diss zu schreiben). Bin ich die erste, der auffällt, dass englischsprachige Bücher ihre Buchrücken von oben nach unten, deutschsprachige hingegen von unten nach oben beschrieben haben? Zumindest für mein Buchregal gilt das zu 100%. Ich habe keine Ahnung, ob das nun eine besonders tiefgründige Entdeckung ist. Jedenfalls, wenn ich vor meinem inneren Auge Hugendubel oder Dussmann auferstehen lasse, stehen tatsächlich alle Leute mit nach links gebeugtem Kopf vor den Regalen. Ich habe nie darauf geachtet, ob Amerikaner sich hingegen nach rechts neigen. Politische Anspielungen habe ich hier übrigens in keinster Weise im Sinn. Ganz pragmatisch kann ich nur sagen, dass mir die englisch-amerikanische Variante mehr gefällt, mit Autor oben und so. Denn das macht wiederum das Ordnen leichter, und darum geht es hier ja.