Mittwoch, 1. Oktober 2008

Bioladenerotik

Bioläden riechen komisch. Zwar nicht ganz so muffig wie die Reformhäuser, die in dunklen Ecken jeder deutschen Kleinstadt unglaublich teure Körner an magere ältere Damen verkaufen. Aber dennoch haben auch die Bioläden 2.0 einen seltsamen Geruch an sich. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob das an den Produkten oder den Menschen darin liegt. Vermutlich an beidem. Weleda-Zitronella-Deo und Rosmarinseife ohne Zusatzstoffe hat nunmal nicht die Wirkung von Rexona Sport Power und Nivea Lavender Shower Gel extra soft. Mit Waschnüssen gereinigte Klamotten riechen - so meine Behauptung - sicher auch anders als meine in Jasminweichspüler gebadeten und mit Duftbügelwasser veredelten Kleidungsstücke. (Allein für die letzten 3 Sätze werde ich mich wohl bald einem Parteiausschlussverfahren bei meiner Lieblingspartei unterziehen müssen.)

Am abschreckendsten gestaltet sich in Bioläden jedoch die Kundschaft selbst. Dass Bio-Essen gesund und oft auch schmackhaft ist: geschenkt. Aber gerade dafür sehen die Leute in diesen Geschäften echt nicht gesund und glücklich aus. Bleich, kraftlos und irgendwie asexuell. Zwar will uns die dort verteilte Zeitschrift 'Schrot & Korn' in ihrem Anzeigenteil davon überzeugen, dass auch vegane Mondfrauen und ovolakto-Stiere ein aktives Liebesleben haben. Stehe ich jedoch in der Bio Company am Käsestand und gucke auf diese geschlechtslose Jack Wolfskin-Jacken-Fraktion, gebeugte Enddreißigerinnen mit ihren aschblonden Pferdeschwänzen und unerträglichen Kindern an der garantiert unmanikürten Hand, bebrillte magere Jünglinge ohne Bartwuchs mit sabbernden Babies in gestreiften Tragetüchern, mit der Verkäuferin über laktosefreien Käse und glutenfreies Kartoffelbrot diskutierend, dann fällt es mir schwer vorzustellen, wie die besagten Babies und Kinder überhaupt zustande kamen. Haben die beiden Wesen sich irgendwann angeguckt und wirklich gedacht: wow, den/die/das will ich, jetzt sofort und richtig nackt!!!??

Mittlerweile gehe ich durch den Bioladen nur noch, weil er die optimale Abkürzung ist, wenn ich nicht um den ganzen Block laufen will. Einkaufen tu ich am liebsten im türkischen Supermarkt. Die Leute wiegen etwas mehr (und verdienen größtenteils sehr viel weniger), aber sie wirken so, als hätten sie ein Leben ohne allzu viele Allergien und Neurosen. Und selbst wenn, sehen sie dabei besser aus. Von den Leuten bei McDonald's ganz zu schweigen. Prolo-Rettungsringe (a.k.a. love handles) über Glitzerorsayjeans sind allemal sexier als demetergenährte Trekkingschuhträgerinnen mit Hornhaarspange, die das Monatsgehalt eines Fabrikarbeiters für den Tofu-und Keimlingeinkauf raushauen können.

Politisch korrekt würde ich das übrigens so ausdrücken: soziale Aspekte sind mir bei meinem Konsumverhalten tendentiell wichtiger als ökologische, die nur einem privilegierten Bildungsbürgertum voll zugänglich sind. (Aber der Geruch spielt auch ne Rolle, ich geb's ja zu....)

Manche drücken es fast noch schöner aus:
http://blog.zeit.de/berlinjournal/?cat=10

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