Freitag, 26. Juni 2009

Die Welt ist in Aufruhr. Sonderberichterstattung im Fernsehen. Panische Facebook-Meldungen. Fassungslose Kommentare dazu. Ja, das Leben ist grausam. Michael Jackson ist tot. Heute morgen wurde ich im Netz gleich mit der Fülle nekrologischer Betroffenheitsveröffentlichungen überschwemmt. Einige Leute posten seit gestern nacht im Fünfminutentakt Hymnen an MJ, wie er nun liebevoll-vertraut abgekürzt wird. In erschütterndem Pathos wird der 'boy who never knew the beauty of his own face' (Prof. Farah Jasmine Griffin) betrauert, das mit 'u go way deep' und  'wow, that's a big statement, bro' kommentiert wird. Bereits zwei meiner Facebook-Freunde haben Artikel mit angeschlossener Kondolenzseite verfasst, wo man seine 'Gedanken, Gefühle, Erinnerungen' hinterlassen soll. 

Noch vor einigen Tagen beschrieb ich mein Missfallen an übermäßiger Laienberichterstattung zur Lage im Iran. Ich könnte mir vorstellen, dass ich dieses Missfallen mit den iranischen Systemträgern um Ahmadinejad teile. Von daher möchte ich meine Verschwörungstheorie des Tages präsentieren:

In erschreckend zutreffender Weise dachte sich der iranische Geheimdienst, dass die Welt sicher auf dem Kopf stehen wird, wenn dieser leicht pädophile und paranoide Glitzer-Zombie dahinscheiden wird. Also ließ er MJ um die Ecke bringen und freut sich nun, dass die Menschen und Medien dieser Welt für eine Weile von so unwichtigen Dingen wie schießenden Milizen in Teheran abgelenkt sind. Touché!

Donnerstag, 25. Juni 2009

In der heutigen Zeit ist es manchmal nicht leicht, ein Mann zu sein. Zumindest glaube ich das. Schließlich bin ich keiner. Aber sogar mir fällt auf, dass es immer wieder Situationen gibt, in denen ich mich als Frau bevorzugt fühle. Heutiges Beispiel: das Fitness-Studio meines Vertrauens, eigentlich eher eine Wellness-Oase mit angeschlossenem Trainingsbereich.

Im Untergeschoss gibt es einen traumhaften Saunabereich. Vorne, wo Swimmingpool und Whirlpool sind, werden die Besucher noch höflich dazu angehalten, doch bitte Badekleidung zu tragen. Hinter der Glastür herrscht jedoch die totale Nacktheit. In der Biosauna liegt man, ausgestrahlt durch helles farbiges Licht, das angeblich Wohlbefinden auslösen soll, aber eigentlich eher nach Kühlschrankleuchte aussieht, auf dem Präsentierteller, während man schwitzt. Die finnische Sauna ist dunkel und holzig, wie man es kennt. Zwar muss man beim Rein-und Rausgehen durchaus über fremde Brüste, Hintern und sonstige Körperteile klettern. Aber liegt man erst einmal im Dunkeln auf seinem Handtuch, kann man abschalten - natürlich nur, bis jemand über die eigenen Brüste klettert und man tiefe Einblicke in den Körper des Mitsaunierenden erhält. 

Im Hamam, dem Dampfbad, könnte man sich nicht einmal mehr theoretisch in sein Handtuch hüllen (so wie man es züchtigen Saunaprospekten kennt - würde man das jedoch wirklich machen, gälte man als pathologisch verklemmt) - es ist so tropfnaß in dieser dunklen Höhle, dass Nacktheit zwangsläufig scheint. Dort hat man die Wahl, ob man sich lang ausgestreckt auf dem heißen Stein in der Mitte ausbreitet (und damit viel Platz hat, aber auch beobachtet werden kann), oder ob man sich lieber auf die schmalen Steinsitze an der Seite des runden Raumes entlang setzt (und damit Ausblick auf den jeweiligen Luxuskörper, der sich grad in der Mitte räkelt). 

Neben den drei 'heißen' Räumen gibt es Kneippbecken, Tauchbecken, Duschen, warme gekachelte Liegen. In diesem ganzen Saunabereich laufen die Leute nackt herum. Und es ist hier viel angenehmer, eine Frau zu sein. Nicht nur, dass die meisten Männer aus Höflichkeit (oder Angst?) einem mehr Platz auf den Liegen einräumen und sich nicht neben einen quetschen. Nein, denn ich habe die Wahl. In der heutigen Zeit gilt Wahl, auf obama: choice, ja als der Maßstab jeder Freiheit des modernen Individuums. Ich als Frau habe die Wahl, auch oben im ersten Stock in die separate Frauensauna zu gehen. Die ist zwar kleiner und spartanischer, aber es gibt sie. Wenn ich nicht unten in der gemischten Sauna duschen möchte, gehe ich nach oben zu den Frauen. 

Aber die armen Männer. Wollen sie saunieren, müssen sie das wohl oder übel unter der Beobachtung sex-and-the-city-geschulter Frauenblicke. Hintern, Sixpacks oder Waschbärbäuche, alles wird abgecheckt. Besonders lustiges Beispiel ist das Duschen: drei Duschkabinen, aber alle nur durch Glasscheiben getrennt. Wenn ich mich als Frau entscheide, dort zu duschen, Haare zu waschen, mich in Ruhe abzutrocknen, wird es klar, wie verwirrt und verängstigt der moderne Mann doch eigentlich ist. Einerseits bemühen sich die meisten Männer, explizit NICHT zu mir zu schauen, wissen sie doch, dass dies von mir missbilligt werden könnte. Gar nicht gucken geht allerdings nicht, wenn man sich auf so engem Raum befindet. Das noch größere (oder kleinere...) Problem stellt sich den Männern jedoch in ihrer eigenen Positionierung unter der Dusche: meist drehen sie mir erst einmal den Rücken zu. Dann wird ihnen, so glaube ich, bewusst, dass ich nun schön in Ruhe auf ihren Po gucken kann. Also drehen sie sich abrupt um. Und merken, dass das auch nicht besser ist. Die Hände wandern vor den Schoß, fast schüchtern. Kopf nach vorne gebeugt, damit sie auf ihre Füße starren können. Wenn ich anfange zu lächeln, hauen sie ab. Sie wissen ja nicht, worauf es sich bezieht. Ja, es ist nicht leicht, heutzutage ein Mann zu sein.....Ist die Gleichberechtigung nun eher vollendet, wenn man die Frauensauna schließt oder wenn man den Männern eigene Schwitzräume für ihre mehr oder weniger ansehnlichen Bodies einrichtet? Feminismus ist ja so kompliziert.....

Montag, 22. Juni 2009

Es hat heftig gewittert. Man sieht es an den tiefen Pfützen auf der Straße, in denen sich die Lichter der Stadt spiegeln. Alles um mich rum glitzert in bunten Farben, als ich mit dem Rad losfahre. Nur der Himmel ist dunkeltiefmegaschwarz. Die Luft ist viel wärmer als noch vor ein paar Stunden, irgendwie komisch. Und, wie so oft Sonntag nacht, fast keiner auf den Straßen. Zwischen Kreuzberg und Schöneberg begegnen mir vielleicht fünf Autos und fünfzehn Menschen. Es ist unglaublich ruhig. Von der Brücke aus der Panoramablick auf den Potsdamer Platz, das Sony Center, ganz weit hinten der Fernsehturm. Auch alles in bunten, leuchtenden Farben vor dem nächtlichen Gewitterhimmel. Tiefe Stille. Manchmal ist Berlin einfach nur wunderschön.

Samstag, 20. Juni 2009

Ich frage mich, was mir der Musikgeschmack eines Menschen über seine innere Wahrheit  sagt. Wenn böse Menschen keine Lieder haben, was bedeutet es dann im Umkehrschluss, wenn ein Mensch wunderschöne Musik hört?   #thecatharsisproject
Nur zu dritt sind sie. Und belegen doch einen ganzen Abschnitt des S-Bahn-Wagens. Ich hab sie zu spät gesehen, so dass ich und mein Begleiter nun ganz nah an ihnen dran sitzen. Feist ist der eine, dürr der andere, kräftig der dritte. Bleiche Haut haben sie, darauf viele bläuliche Tattoos, im Nacken, an den Waden, auf den Armen. Ganz kurz geschorene Haare. Der Kräftige hat eine unglaubliche Menge an Piercings im Gesicht und in den Ohren. Er scheint der coole Obermacker zu sein, der wenig redet. Die anderen beiden sind - fast wie in jeder Collegeserie - seine beiden geistig etwas zurückgebliebenen Buddies, Dick und Doof, die laut im Waggon rumproleten, während der Kräftige mit starrem Bierblick vor sich hinschaut. Nazis sind echt peinliche Erscheinungen. Warum sind sie meist richtig häßlich, warum dieser dummdreiste Blick, diese Verliererfressen, die sich hinter den Fratzen verbergen? Wird man, wenn man so ist, ein Nazi, oder wird man erst Nazi und dann so? Der ganze Waggon findet sie einerseits lächerlich, das merkt man, hat aber gleichzeitig Angst. Als die drei an einer Haltestelle draußen anscheinend Bekannte entdecken, machen sie demonstrativ mehrmals den Hitlergruß Richtung Bahnsteig. Keiner sagt was.

Es ist halb drei Uhr nachts, die Ringbahn vom Treptower Park Richtung Westen. Ansonsten sitzen im Wagen verstreut junge Leute, viele davon alternativ-studentisch aussehend, ein paar betrunkene Schüler, ein paar Jungs, die türkisch reden. Aber nur leise. Der ganze Waggon ist für diese Uhrzeit ungewöhnlich leise. Keiner will in das Blickfeld dieser drei martialisch wirkenden Männer geraten, das merkt man. Ein Mädchen mit Fransenschal und roten Schnürsenkeln in den Doc Martens wird von dem Dürren blöd angemacht, als sie aussteigen will. Als sie irritiert guckt, meint er "War nur Spaß." Der Feiste schießt sofort hinterher: "Nein, war es nicht." Aber da ist sie schon draußen.

In Neukölln steigen mehrere Jugendliche mit Migrationshintergrund ein. Ein afrikanisch aussehender Teenager und sein ostasiatischer Freund bemerken die Nazis ebenfalls zu spät und setzen sich auf die Sitze neben uns. Der schwarze Junge sinkt unter seiner Kapuze zusammen, nimmt seine Kopfhörer raus und schielt kurz nach hinten. Dann mit einem resignierten Kopfschütteln leise zu seinem Freund: "Was ist nur mit Deutschland los...."


Mittwoch, 17. Juni 2009

Die Erkältung, die ich mir in leichter Bekleidung bei kühler Sonne eingefangen habe, versuche ich mit diversen Hausmittelchen zu bekämpfen. Damit alle von meinem neu erworbenen Wissen profitieren können, hier ein Erfahrungsbericht: 

Ausräuchern funktioniert definitiv nicht. Auch nicht mit französischem Qualitätsrauchwerk, wie sich gestern nacht zeigte. Man sieht nur mondäner damit aus. Auch Desinfektion mittels alkoholhaltiger Flüssigkeiten betäubt nur kurzfristig. Selbst der Gesundheitsschlaf wird damit nicht gefördert, wie in einem mehrtägig andauernden nächtlichen Experiment mit statistischer Aussagekraft nachgewiesen werden konnte. Totreden lassen sich die Bakterien oder Viren ebenfalls nicht, selbst wenn man sich mithilfe netter Gesellschaft darum bemüht. Auch dies in zahlreichen Versuchen mit und ohne Koffein, Zucker, Alkohol und Rauchwerk bewiesen. 

Die nächsten Tage soll nun zu außergewöhnlichen Methoden gegriffen werden. Schon fast guantánamo-lastig mutet die Idee an, die Eindringlinge in einem ausgefeilten Programm über die nächsten vier Tage bzw. Nächte  durch Schlafentzug zur Kapitulation zu zwingen, untermalt durch laute Musik, Schütteln des ganzen Körpers und die Zufuhr toxischer Stoffe. Waterboarding ist nicht vorgesehen, sollte das Wetter jedoch mitspielen, könnte ein nächtlicher Abstecher an den See- gemeinsam mit einem kräftigen Waterboarder natürlich - meiner Forderung nach Rückzug der Killerviren Nachdruck verleihen. 

Wenn das alles jedoch nicht helfen sollte und ich am Montag unerwarteterweise völlig darniederliege, höre ich eben doch auf meine Oma und hüte das Bett, trage einen dicken Schal und trinke brav Kamillentee.

Dienstag, 16. Juni 2009

Ich finde Gefallen an subtilem Kontrollgewinn.  Habermas ist kommunikationstheoretisch zu idealistisch. Aber Foucault rockt. Dissen war nie schöner. Da muss selbst Facebook einpacken. #thecatharsisproject

Montag, 15. Juni 2009

Je länger ich drüber nachdenke, was ich will, desto mehr weiß ich, was ich nicht will. Oder sollte ich sagen: desto mehr fühle ich es? go go, my dear intuition!   #thecatharsisproject
Analysis: Iran election statistics muddy waters further | World news | guardian.co.uk, BBC NEWS | Middle East | Hostages' bodies 'found in Yemen', Protests in Tehran after election - Riot police caught by crowd, Op-Ed Columnist - Iran’s Day of Anguish - NYTimes.com, Why Obama Should Keep the Heat on Israel ... - TIME, Why the U.S. Should Start Talking to Hamas - TIME.
Das allein in den letzten 2 Stunden.

Dieser Post ist nicht anti-intellektuell oder bildungsfeindlich gemeint. Auch kein Plädoyer für apolitische Einstellungen oder Denkfaulheit. Dennoch: Was denken sich einige meiner sogenannten Facebookfreunde dabei, mir jeden Tag -zig Nachrichtenmeldungen von BBC, CNN und co. reinzuposten? Ich finde es ja schön, dass wir alle so interessiert an der Welt sind, uns das Schicksal des post-election Iran berührt, wir uns um Israel und Palästina sorgen bzw. ärgern und dieses Interesse mit all unseren Freunden teilen wollen. Vielleicht liegt es an einer relativen Homogenität meines Freundeskreises, dass ich fast NUR über Iran, Israel und Palästina zu lesen bekomme, nichts aber über die neuesten Erkenntnisse in der Astronomie oder hessischer Innenpolitik. (An dieser Stelle möchte ich ausdrücklichst keinen der Leser hier ermutigen, mich in Zukunft mit Kometensichtungsberichten und Ypsilanti-Stories zu behelligen!) Wenn dann noch dieselben Leute zu einem Thema (exemplarisch sei hier nun die Unruhen im Iran genannt) nicht nur ein, sondern gefühlte 27 Postings pro Minute machen, die allesamt über Youtube viele Menschen auf Teherans Straßen zeigen, dann ist das, nun ja, ermüdend. Zumindest bei mir führt es zu Politikverdrossenheit. Dasselbe Phänomen bemerkte ich übrigens schon beim Europawahlkampf auf Facebook. Aufgrund einer biographischen Vorbelastung war ich in einigen grünen oder grünennahen Facebook-Gruppen Mitglied bzw. hatte Wahlkämpfer in meiner Freundesliste. Unerträglich. Wirklich. Nicht nur die Anzahl der Postings, sondern die Inhalte ließen mich beinahe den Respekt vor dieser Partei verlieren, die mich zwar oft genervt hat, die ich aber immer für irgendwie 'tiefgründiger' gehalten hatte. Nicht dass ich glaube, dass andere Parteien besser wären. (Und genau dieser eigentlich unbegründete Glaube ließ mich den Grünen dann doch wieder meine Stimme schenken, wums-Peinlichkeiten zum Trotz). Aber zurück zu den Facebook-wannabe-Nachrichtensprechern: Es ist ja nicht so, dass wir jungen, urbanen, internetaffinen Möchtegernintellektuellen all diese Dinge nicht selbst recherchieren könnten. Auch von meinem Rechner aus kann ich auf CNN, BBC und youtube zugreifen - wenn ich es möchte, brauche und Zeit habe. Wie gesagt, nichts gegen wirklich interessante, außergewöhnliche Links. Doch wenn alles, was in der Tagesschau o.ä. erzählt wird, noch 34mal auf meiner Startseite in Form von bunt bebilderten Links auftaucht, ist das einfach nur anstrengend. Natürlich kann man sich mit derlei Nachrichtenverbreitung seinen Freunden als besonders politisch interessiert, nachdenklich und engagiert darstellen. Aber allein in der Zeit, bis man die entsprechenden Seiten alle hochgeladen hat, könnte man sicher für sich noch drei weitere Artikel lesen. Nur dann merkt's ja keiner....

Freitag, 12. Juni 2009

ist man frei wenn man lieber den anderen verliert als sich selbst? hat man das recht vom anderen dasselbe zu verlangen das man selbst zu geben bereit ist? ist verdrängung eine hilfreiche alternative zu auseinandersetzung? #thecatharsisproject

Mittwoch, 10. Juni 2009

ich überlege ob goodbye oder farewell es besser trifft 

Dienstag, 9. Juni 2009

*thecatharsisproject feat. katrin s.* 
- eine/r muss es ja tun -

Mittwoch, 3. Juni 2009

Die eine sagt: "Ich wollte früher immer Meteoritin werden."
Die andere sagt: "Dann könntest du dir einen Meteoriten mit einem langen Schweif suchen."
Die dritte fragt: "War dann der Urknall nichts anderes als zwei fickende Meteoriten?"

Wer glaubt, Sozialwissenschaftlerinnen könnten abends keine tiefgründigen naturwissenschaftlichen Gespräche führen, irrt offenkundig. 


Dienstag, 2. Juni 2009

Eigentlich kam ich nur zur Visite. Diesmal beim Oberguru-Doktor des Reha-Zentrums, ein freundlicher älterer Herr mit Hemd und Krawatte. Er guckte auf mein Knie, stellte ein paar Fragen, machte sich einige Notizen, freute sich über die gelungene Operation. All das in knapp fünf Minuten. Dann blickte er in meine Akte und wollte wissen, welches Fach ich denn studiere.

Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, welche Gesprächigkeit bei meinem Gegenüber ausgelöst wird, sobald es auf das Thema Islamwissenschaft kommt. Denn jeder hat dazu eine Meinung, wirklich jeder: türkische Nachbarn, Ehrenmorde, Palästina-Konflikt, Ägypten-Urlaube, Kopftücher. Es gibt ja so viel zu reden, nicht wahr?

In den folgenden 15 (!) Minuten handelten der Oberguru-Doktor und ich folgende Themen ab: Kann man die westlichen Islamwissenschaftler generell in zwei Lager einteilen, nämlich die totalen Beschöniger und die harschen Islamkritiker? Warum konvertieren Afroamerikaner zum Islam und was hat das mit der Protestantischen Ethik zu tun? Kann eine Religion per se (nicht-) rassistisch sein? Wir diskutierten den Unterschied zwischen slave societies (USA) und societies with slaves (arabische Welt) im Sinne Sherman Jacksons. Ein kurzer Schlenker zum Black Orientalism: ist der Islam qua seiner arabischen Prägung nicht auch inhärent rassistisch? Der Oberguru-Doktor warf die komplexe Frage nach der (Un-)Übersetzbarkeit des Koran aus dem Arabischen und die daraus resultierenden Implikationen (z.B. Arabozentrismus) auf. Darüber landeten wir bei der angeblichen Wissenschaftsfeindlichkeit des Islam, die der Oberguru-Doktor meint ausgemacht zu haben. Die Errungenschaften der islamischen Geschichte, so meinte er, seien doch alle auf konvertierte Juden zurückzuführen. Den hier eigentlich notwendigerweise anzuführenden Diskurs über strukturell antisemitische Stereotype ersparte ich uns. Dafür landete der Oberguru-Doktor jetzt bei der Tagespolitik: ist die Tatsache, dass sich die Palästinenser über jeden winzigen Erfolg über Gebühr freuen und diesen als Sieg uminterpretieren, nicht ein Zeichen für den dem Islam immanenten Willen zur Eroberung? Eine Religion des Kampfes? Ich problematisierte die Schwierigkeit essentialistischer Islam-Bilder, die es ja durchaus auch von muslimischer Seite gebe, um dann mit dem Oberguru-Doktor auszudiskutieren, wie wahrscheinlich eine 'Reform von innen' ist, die er als notwendig anmahnte. Darüber kamen wir nun zu Legitimationsstrategien dieser sogenannten Reformer und deren möglichen Chancen bzw. Grenzen, um in einem versöhnlichen 'mal sehen, was die Zukunft bringt' zu enden.

Denn inzwischen hatten wir fast 10 min überzogen, obwohl ich doch schon längst bei der Aqua Gym hätte sein sollen! Der Oberguru-Doktor bedankte sich für das Gespräch und sagte, ich könne jederzeit wieder vorbeikommen. Während ich die Stufen ins Schwimmbad runterschlitterte, sinnierte ich darüber, dass wir gar nicht über Kopftücher gesprochen hatten. Von daher war dieses Gespräch doch außergewöhnlich gewesen. Als ich in das kalte Wasser eintauchte und mich langsam abkühlte, dachte ich, dass es toll wäre, neben jedem Podium künftig ein eiskaltes Becken für die Diskutanten zu haben.