Samstag, 20. Juni 2009

Nur zu dritt sind sie. Und belegen doch einen ganzen Abschnitt des S-Bahn-Wagens. Ich hab sie zu spät gesehen, so dass ich und mein Begleiter nun ganz nah an ihnen dran sitzen. Feist ist der eine, dürr der andere, kräftig der dritte. Bleiche Haut haben sie, darauf viele bläuliche Tattoos, im Nacken, an den Waden, auf den Armen. Ganz kurz geschorene Haare. Der Kräftige hat eine unglaubliche Menge an Piercings im Gesicht und in den Ohren. Er scheint der coole Obermacker zu sein, der wenig redet. Die anderen beiden sind - fast wie in jeder Collegeserie - seine beiden geistig etwas zurückgebliebenen Buddies, Dick und Doof, die laut im Waggon rumproleten, während der Kräftige mit starrem Bierblick vor sich hinschaut. Nazis sind echt peinliche Erscheinungen. Warum sind sie meist richtig häßlich, warum dieser dummdreiste Blick, diese Verliererfressen, die sich hinter den Fratzen verbergen? Wird man, wenn man so ist, ein Nazi, oder wird man erst Nazi und dann so? Der ganze Waggon findet sie einerseits lächerlich, das merkt man, hat aber gleichzeitig Angst. Als die drei an einer Haltestelle draußen anscheinend Bekannte entdecken, machen sie demonstrativ mehrmals den Hitlergruß Richtung Bahnsteig. Keiner sagt was.

Es ist halb drei Uhr nachts, die Ringbahn vom Treptower Park Richtung Westen. Ansonsten sitzen im Wagen verstreut junge Leute, viele davon alternativ-studentisch aussehend, ein paar betrunkene Schüler, ein paar Jungs, die türkisch reden. Aber nur leise. Der ganze Waggon ist für diese Uhrzeit ungewöhnlich leise. Keiner will in das Blickfeld dieser drei martialisch wirkenden Männer geraten, das merkt man. Ein Mädchen mit Fransenschal und roten Schnürsenkeln in den Doc Martens wird von dem Dürren blöd angemacht, als sie aussteigen will. Als sie irritiert guckt, meint er "War nur Spaß." Der Feiste schießt sofort hinterher: "Nein, war es nicht." Aber da ist sie schon draußen.

In Neukölln steigen mehrere Jugendliche mit Migrationshintergrund ein. Ein afrikanisch aussehender Teenager und sein ostasiatischer Freund bemerken die Nazis ebenfalls zu spät und setzen sich auf die Sitze neben uns. Der schwarze Junge sinkt unter seiner Kapuze zusammen, nimmt seine Kopfhörer raus und schielt kurz nach hinten. Dann mit einem resignierten Kopfschütteln leise zu seinem Freund: "Was ist nur mit Deutschland los...."


Keine Kommentare: