Sonntag, 12. April 2009

Zu Weihnachten und zu Ostern entdeckt 'Die ZEIT ' regelmäßig den Glauben als Thema. Leitartikel, Feuilleton, manchmal sogar der Politik-Teil: Artikel über die Auseinandersetzung diverser Autoren mit Religion und Glauben. Auffällig ist es, dass die Artikel allesamt sehr christlich geprägt sind. 

Diese Woche beispielsweise schreibt Sabine Rückert über ihre eigene Glaubensbiographie. Titel: "Warum ich daran glaube. Die biblische Auferstehungsgeschichte ist eine unfassbare Zumutung. Sie verändert unser Leben." In dem Artikel kommen Sätze vor wie: "Das Christentum ist keine Religion der Gesetzlichkeit, sondern proklamiert deren Überwindung, so begreife ich es. Der Christ ist frei. Alles ist ihm möglich. Yes, we can! Christen können übers Wasser gehen, Stürme stillen, den Teufel besiegen." Oder: "Christen sind Protestleute gegen den Tod in all seinen Varianten: Sie bieten der Bedeutungslosigkeit, der Depression, der Feindseligkeit, der Feigheit, der Inhumanität, der Selbstsucht die Stirn. Gegen alles anzustürmen, was klein, hässlich und verzagt macht, das ist ihre Aufgabe. Das ist meine Aufgabe."

Artikel wie dieser erscheinen in der ZEIT wirklich nur unter christlichen Vorzeichen. Militante Atheisten oder generell Religionskritiker übrigens, das sei der Fairness halber erwähnt, arbeiten sich in entsprechenden Texten, die gerne als Replik auf die Glaubensberichte erscheinen, ebenfalls am Monotheismus ab. Das wiederum ist meist Christentumskritik - der Islam fällt in eine andere Kategorie, da brauchts schon noch Terrorismus oder Kopftücher. Und welche deutsche Zeitung möchte ernsthaft den jüdischen Glauben widerlegen? 

Dennoch frage ich mich, warum solchen Glaubenspamphleten - denn das sind sie !- ein derart großer Raum eingeräumt wird - regelmäßig! Keine Oster- oder Weihnachtsausgabe der ZEIT der letzten Jahre verzichtete darauf. Dieses Mal gibt es übrigens noch einen zweiten Artikel: "Höher als alle Vernunft. Was ist dran am Auferstehungsglauben? Eine kleine Quellenkunde für Atheisten." Abgesehen von der Tatsache, dass sich auch sicher die meisten offiziellen Christen und Agnostiker in Deutschland nur mäßig in theologischer Quellenkunde auskennen: wenn man schon Atheist ist, dann fühlt man sich durch das Pathos des letzten Satzes dieses Artikels sicher abgestoßen und damit implizit bestätigt: "Die Geschichte vom leeren Grab hat niemandem seinen Tod erspart - aber die Geschichte von der Auferweckung lässt niemanden im Tod hängen."

Mich selbst treffen die Artikel an einem wunden Punkt. Viele Jahre lang hab ich mit diversen Religionen herumexperimentiert - allerdings fast ausschließlich auf theoretischer Ebene. Das Christentum hätte ich gerne für mich *gefunden*, einfach weil mir der Exotismus, der z.B. bei Konversion zu Islam und Buddhismus zum Tragen kommen würde, lächerlich erscheint. Außerdem, platt gesagt, finde ich die meisten christlichen, v.a. protestantischen Linksintellektuellen ganz phantastische, sehr nette und nachdenkliche Menschen. Und diese permanente dekonstruktivistisch-arrogante Religionskritik, wie sie an den Unis häufig ist, fand ich ermüdend und unoriginell. 

Leider fand ich das Christentum, je mehr ich las, immer reizloser gegenüber Islam und Buddhismus, zu zerfranst und unlogisch und unnütz für meine Lebenspraxis. Vielleicht kein gutes Argument, aber es schien mir nichts zu *bringen*, weder Erkenntnis noch Selbstdisziplinierung (ohne behaupten zu wollen, dies sei die Aufgabe von Religion). Irgendwann erkannte ich für mich auch im Hinblick auf den Islam, dass ich der Religion eine funktionale Bürde auferlegte, die sie gar nicht erfüllen konnte, außer ich schaltete einen Teil meines Wissens und Verstandes ab. 

Keine Ahnung, ob mich Foucault und co. für den Glauben verdorben haben - vermutlich nicht. Denn die Zweifel waren auch schon zuvor stets stärker gewesen, ein ständiger Begleiter meiner Suche. Als ob ich mir selbst dabei zuschauen konnte, wie ich nach einem Sinn suchte, von dem ich wusste, dass er der Sache selbst nicht zueigen war, sondern ein Sinn, der nur darin bestand, dass ich ihn der Sache eigenmächtig zugesprochen habe. Wenn aber Glaube keinen Sinn hat, sondern ich ihm nur Sinn gebe - dann könnte ich es ja auch ohne diese Zwischenstation über Gott versuchen.  

Als ich an diesen Punkt kam, wusste ich, dass ich nie ankommen würde (auch hier wieder nicht die Behauptung, dass das für Glauben gelten muss). Weil es, so glaube ich, gar kein Ziel außerhalb meiner eigenen Projektion gibt. Dennoch kommen immer wieder ganz ganz kleine Zweifel zurück, wenn ich dann Artikel wie jenen von Sabine Rückert lese. So intelligente, gebildete Menschen glauben daran - und du tust das so platt ab? Hast du es einfach noch nicht genug abstrahiert, intellektualisiert (man merkt meine protestantische Prägung...)? Der Zweifel besteht in einem leisen, nagenden "Und wenn doch?" 

Da merke ich, dass diese Sehnsucht in mir nicht völlig tot ist. Die Sehnsucht, eine Sicherheit zu finden, bestimmt auch der Wunsch, zu einer Gruppe, einer Glaubensgemeinschaft zu gehören, ethische Leitlinien für das eigene Leben zu finden. Und dann wieder, sobald ich das schreibe, die Überzeugung, dass das nur für meine Unsicherheit oder Verwirrtheit spricht, nicht aber für transzendente Wahrheiten. 

Bis vor einem Jahr etwa war ich sehr tolerant gegenüber Glauben oder Gläubigen um mich herum - oder besser gesagt: neugierig. Es hätte ja *das Richtige* für mich dabei sein können... Nun bin ich zunehmend genervt von Religion v.a. in der Öffentlichkeit. Das gilt ebenso für Zeitungsartikel, die Glauben propagieren, wie für Kopftücher in Schulen. Für Berlin überschwemmende Kirchentagsbesucher ebenso wie für Pro Reli-Aktivisten. Meine Abneigung ist nicht völlig rational, sondern speist sich aus einem Gefühl, das sehr präzise von Steven Weinberg, einem amerikanischen Physiker, (übrigens ebenfalls in der ZEIT) ausgedrückt wurde:

"Ich empfinde eine gewisse Sehnsucht nach dem vergangenen Zeitalter des Glaubens. Ich fühle mich von der Religion angezogen. Und meine Abneigung der Religion gegenüber rührt gerade daher, dass ich ein Verlangen nach etwas fühle, von dem ich weiß, dass es unwahr ist."


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