Mittwoch, 10. Dezember 2008

es hilft alles nichts

im Tiefkühlbereich von Karstadts Feinkostabteilung vor einer Auswahl gefrorener Festtagstorten von Coppenrath und Wiese gestanden, lange stehen geblieben und fast losgeheult. Beinah universeller Weltschmerz bei der Erinnerung an Festtage mit Torten, gefroren und geschmolzen, geschnitten mit unter dem Wasserhahn angewärmtem Brotmesser, hilflose Anläufe, sich miteinander zu freuen, die ganze Tragik einer gescheiterten Beziehung - die ein Familienfest immer schon ist - in den Ritzen der Gesten und Kaufverhalten, die wie die Rillen des billigen Brotmessers meiner Mutter inmitten des Teiges erstarren, er muß noch antauen, sagt sie, da hilft alles nichts.
Mein Vater war es, der jeden Samstagmittag auf den letzten Drücker in die City unserer kleinen Industriestadt raste, um dort in der Feinkostabteilung des Karstadt Essensvorräte fürs Wochenende, für die gesamte Woche zu kaufen, ich mußte binnen weniger Minuten eine komplette Einkaufsliste von Zutaten erstellen, die ich aus einem von fünf Kochbüchern herauszuschreiben hatte, aus denen ich mir Gerichte auswählen durfte.
Wir waren immer die letzten Kunden an den Kassen, die Ausgangstüren waren meist schon verschlossen, ich hatte den riesigen Einkaufswagen durch die Gänge zu steuern, während mein Vater mit der Einkaufsliste in der Hand durch die Regale hechelte und die überteuerten Artikel in den Wagen warf, im Eilschritt zum nächsten Regalbrett irrend, noch bevor die Ware den Boden des Gittergerüstes erreichte, das ich ihm nachzuschieben hatte; eine umgekehrte Aufgabenverteilung hatte sich als Unvorteilhaft erwiesen, da mußten wir beiden einmal ein Gericht ohne eine entscheidende Zutat essen, da das Personal uns herausgeworfen hatte.

Von dem Geld, das dabei draufging, hätte er mir später mein Studium finanzieren können. Hat er aber nicht, insbesondere seit ich linksextrem wurde.

Heute mit Kreditkarte Serranoschinken und horrend überteuerte Oliven gekauft zum Wein, ich wollte so gern Geld ausgeben, das ich - ebenso wie mein Vater damals - zwar habe, aber nicht für sowas ausgeben sollte. Das Bedürfnis erwuchs, nachdem ich mich mit einer Neuköllner Anwältin über Probleme Asylsuchender unterhalten hatte.

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