Montag, 1. Dezember 2008

Meine Teepackung überfordert mich. Yogi Tee, Schoko, Aztec Spice. Das klingt schon so esoterisch, dass es ein guter Grund wäre, den Tee nicht zu kaufen. Doch da die drei Damen neben mir eine nach der anderen schnell ins Regal griffen, um eine der letzten Packungen zu ergattern, packte mich der Panik-ich-will-das-auch!-Reflex. Ich bin da einfach gestrickt - wenn das den meisten gefällt/schmeckt/usw., dann gilt das für mich meistens auch. Wie bei Harry Potter, aber das ist eine andere Geschichte. 

Eben öffnete ich nun die Teepackung, um zu schauen, ob sich der Kauf auch gelohnt hat (Esoterik kostet...). Auf der Suche nach irgendwelchen Angaben, ob man nun kochendes oder nur heißes Wasser nehmen soll, wie lange ziehen und überhaupt, las ich mich in der Teepackung fest. 

Im Innendeckel wird mir erst einmal eine Einführung in 'Ayurveda das Wissen vom Leben' gegeben, die schon mit einem bedeutungsschwangeren Satz beginnt: "Der geistige Ansatz des Ayurveda umfasst den ganzen Menschen in allen seinen körperlichen, geistigen und seelischen Aspekten." Dann wird über das natürliche Gleichgewicht philosophiert, und fasziniert lese ich, dass in jedem Menschen die Grundbausteine des Universums (Tattwas) in unterschiedlicher Weise vertreten sind. Nach einer kurzen Abhandlung über Rishnis, Yogis und Brahmanen hab ich die Hälfte des Innendeckels durchgearbeitet. Ich entschließe mich, die andere Hälfte über ayurvedische Kräuterrezepte zu überspringen, schließlich möchte ich in einer Stunde Gilmore Girls gucken. 

Auf der inneren Rückseite entdecke ich, als ich einen Teebeutel entnehme, einen Bericht über ein 'Gespräch mit einem Orangen-Deva', das laut Literaturangabe (!) im Mai 1968 stattgefunden hat. Ich glaube, ein Deva ist sowas wie ein Elf oder so. Jedenfalls sehr poetisch: "(...) Leben ist überschäumende Freude; jeder kleine Biss in ein Blatt, den eine Raupe tut, wird mit mehr Genuss getan, als wir das manchmal bei euch fühlen können - und eine Raupe hat nicht viel Bewusstsein. (...)" Ich mag Raupen.

Im Boden der Packung gibt es eine Einführung in ayurvedischen Bioanbau, viel von Pestiziden und Schwermetallen zu lesen. Traurig, das alles, Schöpfung kaputt und so. Aber die Erwähnung des vulkanischen Regenwalds Sumatras weckt in mir kurz das Fernweh, ich träume von Palmen und Meer. Trotzdem, die Raupe war mir lieber. Aber wo find ich jetzt die Zubereitungsvorschläge? 

Außen auf der Packung erfahre ich im Zuge meiner Suche etwas über einen gewissen Yogi Bhajan, der wohl den Yogi Tee erfunden oder zumindest populär gemacht hat. Unter der Überschrift 'Serving your Spirit' wird die Story historisch eingebettet, vorbildliche Wissenschaft. Kontextualisierung ist entscheidend für einen differenzierten Blick. 1969 kam besagter Yogi (also ein Jahr nach dem Raupendialog) wohl als Kundalini-Yogameister in den Westen, ab den frühen 1970er Jahren wurde der Yogi Tee bereits in den 'vegetarischen Golden Temple-Restaurants' in ganz Europa serviert, ab 1974 gab es den Tee dann in Naturkostläden zu kaufen, der großen Nachfrage wegen. Klar, die Hippies mochten das bestimmt. 

Yoga scheint für den Tee übrigens wichtig zu sein. Und deshalb findet sich auf der rechten Außenseite dann auch eine 'Yogaübung zur Bewusstwerdung (Gurprasad)', mit Bildchen und Anleitung: "(...) Atme lang und tief. Fühle, wie sich die Schale mit den Gaben des Universums 'füllt' und wie reich du beschenkt wirst. (...)" Wohl als Tribut an amerikanische Rechtsanwälte dann noch 'Bitte fragen Sie Ihren Arzt, ob diese Übung für Sie geeignet ist.' Ich finde es gut, dass auch Teeproduzenten sich um das körperliche und seelische Gleichgewicht der Käufer Gedanken machen. Weiter so.

Mein Blick gleitet über eine Information über die umweltfreundliche Herstellungsweise der Teebeutel und der Verpackung, über die anderen Sorten Yogi Tee, und ich denke, nun bin ich durch. Weit gefehlt - die Unterseite! Oh, da geht es um die Azteken und 'Xocoatl' als ihr 'Göttergetränk'. Schön, ich dachte immer, die hätten nur Menschenblut zu sich genommen. Hier werden die Azteken aber als echt nett dargestellt - Leute, die Vanille und Zimt mit Schoki mischen, klingen für mich sehr umgänglich. Und das alles mit Federschmuck, oder? Fast wie die Hippies, der Kreis schließt sich.

Und ich freue mich, dass ich nun wohl voll 'in' bin, denn die Packung teilt mir überdem noch mit, dass das Getränk ein 'echter Insider-Tipp sei, fast ein Kultobjekt für die, die ihn kennen und lieben gelernt haben: Schoki's best drink.' Ich finde, die Anglizismen sollten sie weglassen, ich möchte auf Yogi Tee-Packungen nur Sanskrit lernen. Oder Lebensweisheiten für den Tag bekommen, quasi eine Teepackung als Glückskeks. Hier finde ich etwas von George B. Shaw: "Frage die Wirklichkeit nicht 'warum?', frage deine Träume 'warum nicht?' ". Ooooh, das war jetzt aber schön... Ergriffen greife ich zum Wasserkocher, nachdem ich nun, eine halbe Stunde später, auf der Innenlasche links etwas über kochendes Wasser und 7 Minuten gefunden habe.

Noch habe ich mich nicht entschieden, ob ich den heutigen Einkauf als wahre Bereicherung in meinem Konsumleben sehen soll (= unterstützenswert = wieder kaufen) , oder ob ich, sobald es den Tee bei PLUS oder LIDL gibt, mir die Billigvariante ohne Text und Fußnoten hole. Ist ja langweilig, immer dasselbe Buch zu lesen...


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