Samstag, 27. Dezember 2008

the passion of lovers is for death saith she

noch mehr Leiden: Bachs Matthäuspassion in einer uralten Einspielung, die schon während der Ouvertüre vor lauter Staub und Kratzern in den Chorpassagen in ein schrilles Sägen übergeht, das eher nach Ekkehard Ehlers klingt als nach Otto Klemperer; ein Knistern, das sich anhört wie reingesampelt; ein Verschwimmen der ausdifferenzierten Partiturstimmen in white noise, einen inputfreien Apotheosekreischer, unio mystica als Negation von Hochtreue (hi.fi), der Pilatus wird wohl dem bei Bulgakow nachempfunden sein, der Erzähler steht hinter einer Wand aus Hagelkörnern, die aus den Membranen auf meine Brauen prasseln, der Fischer-Dieskau ist nur noch als popkulturelles Zitat in einem avantgardistischen Werk da.
Wie sehr das Altern der Ware eine Patinierung einherbringt, deren Resultate der bewußten zeitgenössischen Auseinandersetzung mit elektronischer Klangbearbeitung gleichzukommen scheinen, gar sie überholen ohne einzuholen, welches Werk der Neuen Musik hätte den Themenkomplex des langen Wochenendes nach Weihnachten so präzise ausdrücken können, jetzt wo die Plattenseite vorbei ist, springt die Nadel durch eine Endlosschleife, aus der ich den Geist eines defekten Keilriemens in einer verregneten Nacht auf der Autobahn herauszuhören meine, bald geht alles zu Ende.

Dann der Christus von Liszt Ferenc : Staatlich ungarisches Vinyl in einer eingedellten Box, von deren Deckel mich ein körnig vergrößerter Mann antrotzt, dessen Agonie nur eine sexuelle sein kann; man sieht auf dem Ausschnitt nicht, wie seine Hände mit Tauen gebunden sind und er von einem lustvoll verzückten Orientalen gequält wird, gerade mal sein makelloses Decolleté und die freie Schulter mitsamt daraufwallendem Haar sind auszumachen. Der Aufnahme von 1971 - der ersten des Werkes überhaupt, unter Leitung von Forrai - haftet eine Modernität an, die viel radikaler anmutet als die der sozialistischen Auseinandersetzungen mit religiöser Thematik im Westen, seit langem wieder eine Aufnahme, der man einfach nur schweigend zuhören möchte (statt darüber im Blog zu schreiben), ich hatte sie mir extra für die Feiertage aufgespart.


Keine Kommentare: