Montag, 26. Januar 2009

Happy Têt !

Ich habe heute vietnamesisches Neujahr gefeiert. Zumindest ein kleines Bißchen. Im Nagelstudio meines Vertrauens steht ein kleiner buddhistischer Altar, auf dem immer frische Früchte liegen, dazu eine Flasche Pflaumenwein und viele abgebrannte Räucherstäbchen. Viele Kundinnen halten den Altar wohl für Ethno-Dekoration. Aber einmal, als ich vor einigen Monaten sehr früh morgens dort war, kniete tatsächlich eine der jungen Damen in ihrem weißen Kittel vor dem Altar und betete. 

Altar und Weihnachtsbaum im Dezember 
einträchtig nebeneinander

Heute nun unterhielt ich mich mit der Chefin (zumindest glaube ich, dass sie das ist), mal wieder mit Händen (was natürlich im Nagelstudio schwierig ist) und Füßen (das sowieso) über ihren kleinen, künstlerisch begabten Sohn und dessen Schulerfolge, seine teuren, aber doch wichtigen Nachhilfestunden usw., ich erzählte ihr von einem Artikel aus der ZEIT (über das 'vietnamesische Wunder', wonach Kinder vietnamesischer Herkunft im deutschen Schulsystem noch mehr Erfolg haben als deutsche Kinder, u.a. wegen ehrgeiziger Eltern), sie erzählte leicht errötend von einem wohl älteren, deutschen Wirtschaftsprofessor, der 'sie immer besuche' (ich verbot mir hier jeden zynischen Gedanken, leider nur halb erfolgreich...). Dann kam sie plötzlich mit einem giftgrünen Etwas an - es sah aus eine dieser neumodischen Seifen, viel Tamtam, viel Farbe, Naturelemente (wie Orangenscheiben) oben drauf. Die Orangenscheiben waren in dem Fall Sesamkörner, das Teil war nicht fest, sondern glibberig, außerdem in Klarsichtfolie eingepackt. Gestern sei das vietnamesische Neujahrsfest gewesen, und ich solle das jetzt essen. Ich wollte mich erst rausreden - hey, es war wirklich GIFTGRÜN. Aber dann stellte sich heraus, dass die grüne Gelatine, gefüllt mit einer pürierten Masse aus Kokos und weißen Bohnen, erstaunlich gut schmeckte. 

Neben Essen, Nägel lackieren und UV-Lampen-Sessions fand ich erstens raus, dass das vietnamesische Neujahrsfest identisch ist mit dem chinesischen, zweitens, dass dann alle Vietnamesen Berlins in den buddhistischen Tempel nach Spandau fahren, dass sie den Buddhismus 'sehr einfach' findet (und dabei unverhohlen skeptisch über die Straße auf den Eingang zur Hinterhofmoschee gegenüber schaut, wo gerade eine große Gruppe sehr verhüllter Frauen ins Innere huscht), wir schieben einen Exkurs zur vietnamesischen Sprache ein, dann sind wir wieder beim Essen. Wir naschen quietschbunte Kokos-Chips, dann kommt sie mit einem grünen, diesmal aber eher blattgrünen, Quader aus der Teeküche. So was ähnliches wie ein Bananenblatt, meint sie, innen gefüllt mit klebrigem Reis, eine Art Hackfleischmasse dazu. Ob ich probieren wolle? Meine Hände stecken im UV-Licht, also unpraktisch. Sie habe das selbst gemacht, meint sie, das sei typisch für Neujahr, und brauche fast 10std zum Kochen. Hm. Es sieht komisch aus, eine Mischung aus fetter Quiche und Riesensushi. 

Das Ganze endet damit, dass ich kurz darauf den Laden mit einem Care-Paket in der Hand verlasse. Ein Stück von dem, was, wie ich nachher im Internet rausfinde, Bánh Chung heißt, als Beilage kleine, sauer eingelegte Zwiebeln in einer Extrafolie dazu, klare Zubereitungsanweisungen (mit Sojasauce!) inklusive. Typisch für Têt, das Neujahrsfest. Aha.

Ich fühle mich, als ich wieder heimkomme, wie eine Feldforscherin, die ein wenig 'going native' erlebt hat. Ich habe mit dieser jungen Frau eineinalb Stunden so viel geredet und geteilt, obwohl sie offiziell sicher keine 300 Worte Deutsch kann und aus mir unerfindlichen Gründen alle 's' und 'sch' an Wortenden weglässt. Ich bin etwas traurig, dass ich ihr im Dezember niemals Weihnachtsplätzchen vorbeigebracht habe (ich denke kurz an Ostereier...). Dass ich noch viel weniger Vietnamesisch kann als sie Deutsch. Dass sie zwar Worte wie 'pinke Straßsteinchen aufm Ringfinger' und 'das Nagelbett hat sich entzündet' lernt, aber so wenig Alltagsdeutsch versteht, dass sie heute fast einer dubiosen Dame am Telefon ihre Kontonummer gegeben hätte, weil die was von 'Gewinn' erzählt hat (und die Dame erst auflegte, als ich ans Handy ging). Ein krasser Nachmittag. War ich wirklich 'nur' im Nagelstudio? Ich gucke auf meine Hände. Die Nägel sind knallrot. Happy Têt!

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