Es heißt immer, dass man aus Fehlern lernt. Dass auch schlechte Erfahrungen gute Erfahrungen sind. Dass man sich nur so weiterentwickeln kann.
Prinzipiell teile ich diese Ansicht. Doch ist es mitunter schwierig, darunter keine Verschwendung von Lebenszeit, von Energie und Emotionen zu sehen. Warum benötigt man diese - im Nachhinein eher negativen - Projektionsflächen, um zu merken, was man eigentlich braucht, um glücklich(er) zu sein? Oder wer man selbst eigentlich ist oder sein möchte?
Lange Zeit war meine Welt groß, bunt, vielfältig, chaotisch, aber irgendwie auch liebenswert. Viele Menschen, die manch einer vielleicht sogar als 'skurril' oder 'verrückt' bezeichnen würden, tappten durch mein Leben - und ich durch ihres. Die Anziehungskraft beruhte sicher auf Gegenseitigkeit. Ich mochte es, in verschiedene Lebensentwürfe zu gucken, von denen ich oft noch nicht einmal gewusst hatte, dass sie existieren. In Gedanken das 'Was wäre, wenn ich auch mal...'-Spiel zuzulassen. Bis ich mich überfordert fühlte - durch die Größe dieser Welt, das Chaos, die Vielfalt. Weil ich Angst hatte, mich darin zu verlieren. Weil all diese Leute so einzigartig waren, dass nie das Gefühl kam, mich in einer Gruppe zu befinden, die mir Halt geben kann, weil Homogenität nicht nur in keinem Punkt existierte, sondern gar kein Ziel war. Weil ich keine Grenzen mehr für mich sah, die ich aus irgendeinem Sicherheitsgefühl eben doch suchte. Ich fürchtete, mich zu verlieren.
Dann schlug alles komplett um: ich stürzte mich in eine Lebenswelt, die nur sehr begrenzt individuell war. Wo sich alles um eine Gruppe dreht, die zwar nie genau definiert wird, aber spätestens dann, wenn man nicht ordnungsgemäß funktioniert, ihre eigenen Sanktionsmechanismen hat, mit der sie ihre Grenzen absteckt. Eine Welt, die sehr begrenzt dadurch ist, dass man sich über alles lustig macht bzw. ablehnt, was anders als man selbst ist (und vor dem, so glaube ich aus voller Überzeugung, man eigentlich Angst hat, weil man es nicht versteht und sich durch die Andersartigkeit bedroht fühlt). Wo Neugier kein Wert ist, sondern Monotonie als Stabilität gehuldigt wird und man vor 'Normalität' nicht flieht, sondern diese der Maßstab ist, an dem man die Abweichung penibel misst. Wo Inklusion über Exlusion läuft, gegenseitig versicherte Selbsterhöhung den Minderwertigkeitskomplex lindert. Ein mir teurer Freund erklärte mir heute, dass solche Kreise, sehr überspitzt ausgedrückt, strukturell wie Antisemitismus funktionieren: der Fremdkörper muss ausgeschlossen werden, damit sich die Reihen wieder schließen und ihrer Einheit versichern können.
Was ich daraus gelernt habe (hoffe ich zumindest): das im wesentlichen aus Angst resultierende Sicherheitsbedürfnis lähmt einen eher, als dass es einen stützt. Man stumpft ab, indem man sich an eine Lebenswelt anpasst, die nur die Abstumpfung belohnt - mit angeblicher Zuverlässigkeit und Vorhersehbarkeit. Wie oft nur habe ich mich gelangweilt in den letzten Monaten - und mir das Gefühl verboten, weil ich jetzt doch unabhängig sein wollte vom 'Kick des Exotischen'. Endlich 'normal' sein wollte. Mit 'normalen' Freunden. Mit einer 'normalen' Beziehung. Ich wollte Mainstream und bekam Mittelmaß. Sanfte Hinweise von 'alten' Freunden, wie sehr ich dabei war, mich zu verändern, meine Energie und Begeisterungsfähigkeit in diesen Strukturen zu verlieren, wehrte ich immer wieder ab.
Das beste, was einem dann passieren kann, ist ein Skandalon, der einen doch plötzlich zum Fremdkörper macht. Man wird ausgeschlossen, die Reihen schließen sich. Und man selbst? Man ist frei! Und die Welt, die sich um einen rum öffnet, ist größer, bunter, vielfältiger, als man es je in Erinnerung hatte. Diese Erkenntnis allein war es wert.